LL Aktuell

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Geschichten und andere Geschichten

Thursday, April 14, 2011

Wo Bilder scheitern

Wo Bilder scheitern da braucht es Worte.

Werte lassen sich etwa bestens über Worte vermitteln.   Vier Theologiestudenten des Goebenstifts haben  eben mit Worten Werte vermittelt, in einem sehr bewegenden Semesteranfangsgottesdienst. Vor allem aber braucht es Worte um Geschichten zu erzählen.
Heute also Geschichten ohne Bilder und Bilder in Worten.  Viele Worte für viele Geschichten, die zusammen ein großes Bild ergeben. Genug der Wortspiele.

Es ist, und viele wissen es, mir nun gelungen, eine Anstellung zu bekommen. Heute zum zweiten Mal stand ich um sieben auf und machte mich auf den Weg zum DAAD.
Politikwissenschaftler lieben Abkürzungen und Akronyme, vor allem deshalb, weil sie für etwas stehen, was bekannt und fest ist, für Institutionen und Ämter, und so etwas lieben Politikwissenschaftler noch mehr. Sie sind Ordnung im Chaos des menschlichen Zusammenlebens. Womit wir bei meiner Nichte wären, hinter der meine Schwester grade stark hinterher räumt, obwohl die Entropie des Raumes der stabilste aller Zustände ist.
Beim DAAD, dem Deutschen Akademischen Austauschdienst, aber habe selbst ich der Abkürzungen zu viele. Bombardiert werde ich mit Abkürzungen für die Zentrale Arbeitsvermittlung für Ausländer, den Abkürzungen für Kanada, die ich nach meiner Magisterarbeit über amerikanische Graswurzelbewegungen immer noch für CAlifornien halte, und mit Abkürzungen wie SEF, von der ich immer noch nicht weiß, was sie heißt.
Spannendes tue ich nicht. Bisher zumindest. Nur viel. Akten ausdrucken und ordnen, damit die RISE-Stipendiaten (R? International Science and Engineering) ihr Geld und ihre Visa und Versicherungen und alldergleichen mehr bekommen. Sie haben viel zu tun im DAAD, die Kollegen, daher passt es sehr gut, dass ich sowieso Überstunden anbauen will. Am Wochenende besuche ich eine ganz besondere Freundin, bei der ich als Kind von der ersten bis zur dritten Klasse beinahe 24 Stunden lang war. Dann zog sie mit ihren Eltern nach Luxemburg, und siehe da, ich habe sie bei Facebook wiedergefunden.

In Zeiten, in denen man überhaupt nicht weiß, wo man hingeht, und einem der Ort, aus dem man kommt, nicht mehr gefällt, sind solche Menschen nicht in Worte, Bilder, oder Gold zu fassen. Daher versuche ich es garnicht.

Auch nicht in Worte fassen lässt sich der Verlust eines engen Familienmitglieds, besonders dann, wenn man keinerlei Möglichkeit hat, sich zu verabschieden und noch weniger damit gerechnet hat, dass es plötzlich verschwindet. Um einen solchen Menschen trauere ich mit einer anderen sehr engen Freundin, und wie das so ist in der Liebe kann ich nicht völlig gelöst und glücklich sein, wo ich weiß, wie es ihr geht. Im Gegenteil, ihr Verlust begleitet mich und ich will tun und lassen, was ich kann, um ihren Schmerz zu lindern und ihr Kraft zu geben. So habe ich nächstes Wochenende nicht nur Ostern zu feiern, sondern auch Anteil zu nehmen in meiner Heimatstadt.

Andere Türen und Träume haben sich aufgetan in den letzten Tagen - Cairo schien zum greifen nahe, eine fantastische Tageszeitung auch. Aber ich bleibe gerne hier. Mir geht es gut hier. B steht für Bonn und beginnt mit dem gleichen Buchstaben wie besser. Zufall? Ich werde den Sprachenguru fragen. Bonn ist auf jeden Fall um einiges besser als Regensburg, zum Beispiel für hohe Schuhe. Was haben die Pflastersteine in der Regen- und Donaustadt schon Absätze von mir zerfressen und meine Knöchel schwellen lassen. Und was hat diese mittelalterliche Stadt mein Gemüt betrübt in den grauen, nebeligen Herbst- und Winterzeiten. Überhaupt ist Bonn so viel schöner von einer ästhetischen Gesichtspunkten. Eine mittelalterliche Altstadt sagt man Regensburg nach und spricht bewundernd von der Steinernen Brücke und dem Ewigen Reichstag. Doch frage ich hier ganz offen: wieso wird ein Wort wie mittelalterlich, das steht für Kreuzzüge und Finsternis, wieso wird ein solches Wort plötzlich positiv, wenn man es vor "Stadt" setzt? Ich möchte das anprangern. Denn wie soll man in einer mittelalterlichen Stadt auf neue Ideen kommen?

Bonn ist zwar nicht neu, sondern die alte Hauptstadt. Es ist auch voller Gründerzeithäuser, die auch  nicht neu sind. Aber beides ist doch neuer als der Sitz des ewigen Reichstags, und näher an der neuen Hauptstadt ist es auch. Wie der Döner, den ich heute zur Mittagspause aß: Er war zwar kein berliner, aber doch näher am Döner als der türkische.

Vielleicht brauche ich eine Eingewöhnungszeit in die Moderne nach dieser mittelalterlichen Stadt. Fakt ist, dass Bonn mir viel mehr Möglichkeiten bietet als Regensburg es kann. Cairo wäre wirklich eine Versuchung gewesen, aber Cairo ist ganz kaltes Wasser. In ganz kaltem Wasser schwimmen immer Eisberge. Um es in die Worte einer (nochmal) anderen Freundin zu fassen: "Man muss nicht immer Titanic spielen."
Obwohl sie bei Guttenberg gearbeitet, muss ich sie trotzdem zitieren, und zwar amerikanisch, weil es hier keine Fußnotenfunktion gibt: (Wannisch, 2011, 12.04.).

Ich sitze im Garten, meine Finger werden taub. Noch schnell zum Edeka Augustiner besorgen für die München-Emigranten morgen. Also für heute genug der Worte.

2 comments:

Thomas (altklug) said...

Bonn-Berlin > Rgbg.-Berlin!

Ellell said...

Jetzt hab ichs erst gecheckt, Tatsache, wie ätzend! Na, da bleib ich lieber in Bonn. Oder ich kann genauso gut nach München ziehen.