LL Aktuell

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Geschichten und andere Geschichten

Thursday, April 17, 2014

Danke für's Heimbringen

U-Bahnfahrerinnen und U-Bahnfahrer mit Äpfeln beschenken. Sollte man mal machen. Weil sie wieder selber Durchsagen sprechen. Das sollte unbedingt belohnt werden, mit einem Apfel, wie man einer Lehrerin oder einem Lehrer mal einen Apfel schenkt, mit einem dankenden Nicken. Mehr muss garnicht sein.
U-Bahn-fahren hat etwas unglaublich Beruhigendes, Heimeliges. Sonore Stimmen schnurren dir zu: "Nächster Halt: Kolumbusplatz." "Nächster Halt: Frauenhoferstraße." "Nächster Halt: Sendlinger Tor." Immer in der gleichen ruhigen Gemütsverfassung. Jovial freundlich. Kein Deut davon haben wir, ihre Gäste an sich, wir drängeln und schubsen, blockieren beim Einsteigen die Aussteigenden, stehen mittenmang im U-Bahn Gang und blockieren die Einsteigenden. Menschen in der Masse sind ja immer schwierig, manche sagen sogar gefährlich. Und wo ein einzelner Mensch oder eine kleine Gruppe ganz nett, umgänglich und achtsam sind, werden sie in den Tunneln in München zu rempelnden Rüpeln. Und ich mitten unter ihnen. U-Bahnfahrerinnen und Fahrer hätten guten Grund, an der Freundlichkeit der Menschen im Miteinander zu zweifeln, ach was sag ich: an der Unfreundlichkeit der Menschen im Miteinander zu verzweifeln. Aber nein. Sie schuckeln dich weiter durch den Berufsverkehr, unter der Isar durch, unter dem chinesischen Turm durch, unter dem verstopften Mittleren Ring, den Kneipen Haidhausens, der Kaufinger Straße, OEZ, PEP und Messestadt Ost durch. Und sagen weiterhin freundlich jovial: Nächster Halt: Candidplatz.
Candidplatz ist meine Lieblingsubahn-Station in ganz München. Sie ist wie wenn durch einen Regenbogen gehst. Das meine ich ganz wörtlich, farblich. Schön ist auch die Frauenhofer Straße, weil sie eine gelbe Schwester hat, das Sendlinger Tor. Gelb ist auch die Poccistraße. Gelb mit Säulen. Wobei die am Sendlinger Tor nur oben sind, wo das Sendlinger Tor blau ist. Wie die U-6, die oben fährt. Die ist die blaue Linie.
Schön sind nun nicht alle U-Bahnstationen tatsächlich. Aber sauber. Weil die Stadt große Summen dafür ausgibt, sie zu putzen. Gut einmal die Woche stoppen zwei Männer in organgenen Arbeitsmonturen den Wasserstrahl, mit dem sie die Treppe abspritzen, damit eine Handvoll Nachtschwärmer und ich die Treppen trocken hochlaufen können. Sie entfernen Hundescheiße genauso wie Kaugummis, Erbrochenes wie Müll, Kippen, Spucke, Dreck und nochmal Dreck von den hunderten bis tausenden von Menschen, die aus Wind und Wetter in die Tunnel stürmen.
Manchmal putzen sie sogar die Decke. Haben Sie schon mal ihre Decke geputzt? Vielleicht von Ihrer Garage? Also wie das Dach, nur von innen? Das macht doch kein Mensch. Aber die Leute von der Stadt, die machen das. Die haben lange Stangen mit Wischern dran - ja, die sehen so etwa aus wie ein handelsüblicher Mopp, nur mit viel längeren Stilen - und damit wischen sie die Decke. Vielleicht albern, sagen Sie, ja, ja, schon. Aber danach sind die wieder hübsch hell und glänzen. Und Sie streichen ja auch mal Ihre Decken. Die Leute von der Stadt tun das nur öfter. Und das Ergebnis sind helle Tunnel, in denen man sich auch nachts um drei beim Heimgehen nicht gruselt. Konsequenterweise, das muss hier noch erwähnt werden, putzen sie natürlich auch die Wände. Das ist doch super, oder?
Und das alles, obwohl wir U-Bahn-Fahrer, wir Gäste des MVV, uns häufig wirklich daneben benehmen, schubsen und spuken, Müll liegenlassen, Getränke verschütten, und überhaupt leider immer ein bißchen grob sind und nicht so viel aneinander denken. Wir denken auch nicht so häufig an die U-Bahnfahrerinnen und Fahrer, und die Reinigungsleute. Zumindest nicht, dass man's merkt. Drum wollt ich einmal laut und deutlich danke sagen. U-Bahnfahren in München ist toll. Danke für's Nachhausebringen.

Thursday, April 3, 2014

Owl you need is love

Stehn wir in der Küche und streiten. Wegen einer Tür! Schon so Streit, erst Konfrontation, dann wildes Argumentieren. Weil sie Frischluft will und ich Ruhe. 
Isses doch tatsächlich am Ende nicht mehr, sie will Tür offen weil Luft stickig, ich will Tür zu weil Aufwachen bei Trubel im Wohnzimmer oder Küche. Die Lösung, die wir fanden, ist ein klassisches Beispiel von guten Kompromissen: Ich lüfte tagsüber kräftig mit, dafür ist abends die Tür zu. 
Ende. So einfach. Dafür hab ich jetzt einen Mitstreiter mehr, der darauf achtet, dass abends die Tür zu ist, und sie hat einen Mitstreiter, der mit lüftet. Das ist doch wirklich toll! Da kann man sich doch freuen. Wie bei der Geschichte mit der Orange, das Paradebeispiel für Kompromisse: Zwei Leute wollen eine Orange, und es gibt nur eine. Beide wollen sie ganz, mit einer halben sind beide halb unzufrieden. Wie lösen Sie die Situation?
Hier ist Ihre Überlege-Zeit-Melodie: 
Die Lösung: Ganz einfach.
Na, so einfach vielleicht doch wieder nicht. Das Geheimnis liegt im Wissen. Beide Parteien reden miteinander. Sie finden heraus: Der eine will die Orange wegen dem Saft, der andere will aus der Schale einen Tee machen. Schwups, Sie quetschen die Orange aus, geben dem einen den Saft und dem anderen drücken Sie die Schale in die Hand. Beide sind voll zufrieden. 
Lassen Sie mich das Entscheidende noch einmal betonen: Beide reden miteinander. 

Das hat bei meiner lieben Mitbewohnerin und mir auch funktioniert. Dann hatten wir das geklärt und uns vertragen und so bin ich schließlich doch noch zu meiner Orange gekommen. 
Es gab nämlich Ente in Orangensauce. Dafür braucht man eine ganze Orange, Saft und Schale. Und wenn man dann die Ente gebraten hat, sie zum Ruhen auf einem Teller liegt, kippt man den Saft und die Schalenzesten in die Pfanne, gibt ein bissl Butter dazu, kocht's, und hat am Ende eingedickte Orangensauce. Das passt nicht nur zu Ente, sondern ist auch so ganz köstlich. Die Hitze der Pfanne lässt den Zucker karamellisieren, die Säure entweicht, die Butter unterstützt den Geschmack. Darin schwimmen dann kleine Entenstücke, und weil's so lecker war, aß ich dazu noch gedünstete Charlotten. Dann konnte ich auch entspannt die Tür schließen und das Fenster öffnen. 
Dabei fiel es mir dann ein. Der Streit brach eigentlich nur vom Zaun, weil die liebe Mitbewohnerin und ich vorher eine Verabredung hatten, die sie kurz vorher abgesagt hatte, weil sie auch kurz vorher eine Geburtstagsfeiereinladung bekommen hatte. Wir telefonierten, als ich im Zug gen Heimat saß, von dem sie mich eigentlich abholen wollte. Soweit ja alles verständlich - aber wohl war ich trotzdem enttäuscht. Schließlich hatte ich mich sehr auf diese Verabredung gefreut. So entbrannte die Enttäuschung dann über an einem Thema, bei dem wir seit Monaten umeinander rumtrippelten, nämlich eben jener Tür. Sie wollte meinen Wunsch nach geschlossener Tür nicht unterminieren wegen dem bißchen Frischluft, und ich wollte ihre Freude mit Freunden am Abend nicht trüben wegen dem ab-und-zu-mal-Aufwachen. 
Das sorgte für Reibereien, die wir eben nie aussprachen. Sonst hätten wir die Lösung ja längst gefunden. Aber dann kam heute eben diese geplatzte Verabredung. Am Telefon hat sie sicher gemerkt, dass ich enttäuscht war. Ich war enttäuscht, als sie mich anrief um abzusagen - und so kochte es über auf einem Nebenschauplatz, der Tür, in der Küche, beim Kochen. 
Auch wieder völlig unnötig: Schließlich gehen wir nächste Woche Kleidchen kaufen miteinander. Und wissen, dass wir uns beide sehr wohl mögen. So ist das mit den Menschen: Owl they need is love

Postscriptum zu Türen: 
Ihr kennt doch sicher die Weisheit: "Wenn sich eine Tür schließt, öffnet sich eine andere." Da fehlt die Hälfte. Ich möchte fast von einem halben Zitat sprechen, wie bei Thomas Hobbes, der immer nur zitiert wird mit: "Homo homini lupus est." (Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf) Das ist auch Unfug, wenn es alleine steht, denn: "Homo homini deus est" (Der Mensch ist dem Menschen ein Gott) hat er auch gesagt. Wenn man aber den Teil weglässt, versteht man überhaupt nicht, worum es Hobbes geht. Zentral sind doch die Möglichkeiten, die dem Menschen im Miteinander zur Verfügung stehen. Der Mensch der Mensch sehr wohl beides sein, total gut und gottgleich, oder total schlecht wie ein Wolf (wobei Wölfe sehr soziale Gemeinschaften untereinander haben, aber das nur am Rande). Die Frage ist doch, was er macht - es ist die Entscheidung des Menschen! Wenn man aber nur den ersten Teil des Zitates kennt, denkt man doch glatt: Thomas Hobbes hat ein miserables Menschenbild. Ganz schön unfair dem Hobbes gegenüber, oder? Der arme Hobbes. Auch fehlinterpretiert wird "mens sana in corpore sano" (Gesunder Geist in gesundem Körper). Man wird nicht nur unglücklich oder knatschig, wenn es dem Körper nicht gut geht. Das merkt man ja schon wenn man Hunger hat oder verkatert ist. Nein, auch wenn man traurig oder unglücklich oder sonstig geistig krank ist, verfällt der Körper. Das Zitat funktioniert auch andersrum. 
Bei den Türen ist es genauso: 
Wenn sich eine Tür schließt, öffnet sich eine andere. 
Oder du öffnest die geschlossene Tür wieder. So funktionieren Türen.