LL Aktuell

LL Aktuell
Geschichten und andere Geschichten

Wednesday, June 29, 2011

Keine Fotos

So gerne würde ich hier Fotos bloggen, aber ich sage euch: Ich habe keine Zeit, welche zu machen! Dabei gäbe es so viel, was fotografierenswert wäre!
Einerseits arbeite ich ja direkt an der Isar, und das ist einfach wunderschön. Kiesstrände im Sonnenlicht, breite, rauschende Stromschnellen, Bäume, verträumte Menschen. Andererseits ist um die Ecke von meiner Wohnung der Nördliche Friedhof, der schon einen Blogeintrag wert ist - schattige Bäume, knirschende Kieswege, zerfallene Grabsteine. Super. Und überhaupt würde ich gern die Atmosphäre der wuseligen Maxvorstadt mit ihren Radlern und kleinen Geschäften, aber auch den Lehel mit den schönen, glatten Gebäuden und den kleinen Obstständchen transportieren.
Statt dessen arbeite ich bis fünf oder sechs, treffe dann meine Schwester, oder die Eltern, oder sonstige Freunde, und am Wochenende schlafe ich oder bin auch Nachtflohmäkten oder in schönen Cafe's, oder ich korrigiere Arbeiten von Freunden, oder ich gehe shoppen, oder -

ich könnte noch ne Weile so weiter machen, aber das Prinzip ist einfacher erklärt: München ist eine genauso faszinierende und schöne Stadt wie Bonn und die Zeit hier ist genauso aufregend, aber hier habe ich schon ein cooles, bestehendes soziales Netzwerk und um das kümmere ich mich mit Leidenschaft.

Wobei der wahre Grund dafür, dass ich überhaupt keine Fotos mache, daran liegt, dass ich meine Kamera zu selten dabei habe. Aber so ganz stimmt das auch nicht, denn Fotos machen kann ich am besten allein, wenn ich mich nur auf das Bild konzentrieren kann und richtig in die Situation eintauche. Irgendwann gibt es aber wieder welche, versprochen!

Wednesday, June 22, 2011

The return of the orchid

Ich dachte ich wär das Biest los! In einer feierlichen Zeremonie hatte ich die bösartige Orchidee in Bonn zerrupft und zerpflückt. Irgendwann zwischen GSI und DAAD war sie - nach etwa einem Monat Hunger und Zerstückelung! - endlich völlig vertrocknet; da habe ich sie genommen und zermalmt! Schön war es, ihre Blüten zerspringen zu hören! Danach habe ich mich an die Ginkgo-Zucht gemacht, an diesen Baum des Lebens heran gewagt, den mir ein vielgeliebter, betrauerter und immer noch vermisster Kunstlehrer nahe brachte. Was soll ich mich gegen etwas wehren, was schon Goethe liebte - Ginkgos sind gut.

Nur schwant mir inzwischen Übles. Langsam keimen die Kerne, ganz langsam, so langsam, dass man sich fragen muss, wie die überhaupt hunderttausende Jahre überlebt haben, wenn die sich mit der Fortpflanzung derart schwer tun. Aber das wäre ja kein Problem: "every blade of grass has its own angel who wispers: Grow, grow," sagt eine Karte, die mir meine Schwester einst schenkte. Gerne bin ich dieser Engel für meine Gingko-Kerne. Nur hat sich die Orchidee auf perfide Art und Weise gerächt - sie hat etwas von ihrem Pflanzenhass in die Luft gesprüht, der meine Keimlinge ein paar Tage ausgesetzt waren. Und jetzt schimmeln sie! Endlos! Sie hören garnicht mehr auf! Ich wasche, ich pflege, ich lüfte - aber der Schimmel kommt wieder und wieder, ja ein Kern ist derart mit grüner, wolkiger Flechte übersäht, dass man garnichts anderes mehr sieht!

Ich wette, das ist die Keimzelle der Orchidee - irgendwie hat sie es geschafft, sich einzuschleichen, und jetzt wächst da ein Ginkgo-Orchideen-Hybrid. Gut und Böse in einer Pflanze, mir wird schon ganz gruselig. Oder es entsteht eine Chimäre, ein Mischwesen, böse wie die Orchidee aber so unzerstörbar wie ein Gingko. Ginkgos werden bis zu 30 Meter hoch. Gott steh mir bei, ich habe dieses Unwesen in meinem Zimmer.


Jetzt ist es Nacht. Ich hoffe, ich wache morgen wieder auf.

Monday, June 20, 2011

Das ist Bibi

sagte Heike und setzte sich auf die Leiter. "Du Spack," antwortete Franz, der auf dem Boden verblieben war und Käsekästchen in den Sand zeichnete. "Du hast doch keine Ahnung. Bibi ist garnicht da. Du redest nur, um deinen Mund zu füllen." Für einen Fünfjährigen hatte Franz einen erstaunlich großen Wortschatz.

Gerne würde ich jetzt weiter einen Text über Bibi schreiben, aber das geht nicht. Bibi ist nämlich garnicht da. Überhaupt muss ich jetzt erstmal mit der Gegenwart fertig werden. [Dieser Satz ist übrigens, ebenso wie der Titel, geklaut.]

Ich möchte heute hier verkünden, dass ich eine tiefe, festsitzende Liebe wieder entdeckt habe, die schlief und jetzt langsam wieder erwacht. Wie ein Drache in einer Höhle, der erst das eine, riesige, lederne, beschuppte Augenlid öffnet, bevor er sich des funkelnden Juwelenschatzes um sich gewahr wird und sehr gut gelaunt auch das andere Auge öffnet, so erwacht langsam mit jeder Ubahn Fahrt und jeder belauschten türkischen Unterhaltung meine Liebe zu München. Ich bin der Drache.

Wieder in eine Stadt zu ziehen, die man schon einmal geliebt hat, ist unheimlich praktisch. Tatsächlich muss man sich nur daran erinnern, was einem früher hier Freude bereitet hat, und dann macht man es einfach wieder. Meine alte Tanzschule zum Beispiel gibt es noch. Meine Freunde auch. Politische Vereine meiner Geschmacksrichtung auch. Dann importiere ich mir noch die wenigen Dinge, die ich an anderen Städten lieben gelernt habe, wie Echsen und Fußball, und fühle mich rundum wohl.

Zumindest ist das der Plan. Wahrscheinlich scheitert er, wie das bei Plänen immer so ist, aber dann mache ich mir einfach einen neuen Plan. Es ist ja nur wichtig, dass man weiß, was man will. Es muss ja nicht unbedingt das Gleiche sein wie vor zwei Wochen.

Also zum Mitschreiben: Man importiere das Goebenstift und den Salamander nach München und alles ist gut. In einer Gleichung sähe das wie folgt aus:

Goebenstift + Salamander + München = +

[Plus! Das bessere x!]

Es wird nicht besser. Vor allem weil ich nicht über Bibi schreiben darf. Bibi ist nämlich ein Omega-Huhn auf dem Hof von F. Herb, und ich habe mich mit Inge drauf geeinigt, dass Bibi in meinem Text abwesend ist, und nur auftaucht, weil Frau Kraftschick sie nicht vermisst.

"Das ist Bibi" ist nämlich der Titel der nächsten Lesung, und das nur deshalb, weil Inge es geschafft hat, Bibi  durchzusetzen, und Ollis Panda, der sich dauernd aufgedrängt hat, auf der Strecke blieb. F. Herb ist übrigens auch garnicht mein ehemaliger Professor Friedrich Herb, sondern etwas, das auf einem Bierglas stand. Alle diese Elemente sind aus Ringgeschichten, die Salamandermitglieder traditionell gemeinsam an Sitzungsabenden verfassen. Sowas machen Salamander nämlich, kleine Texte schreiben, die andere dann weiterführen müssen. Dazu nehmen sie alle Mittel, die gerade opportun sind, auch wenn es sich um Bibi, F.Herb oder den Panda handelt. Salamander sind da skrupellos. Trotzdem möchte ich herzlich zur Lesung einladen, die da wäre am 22. Juli im Regensburger Dombrowski. Ich lese auch, aber nicht über Bibi, sondern über Frau Kraftschick.

Damit das nochwas wird, schreibe ich jetzt an eben jener Dame weiter.

Wednesday, June 15, 2011

Re-Visionen

Manchmal braucht man Abstand, um Perspektive zu gewinnen. Zum Beispiel Abstand vom ersten Tag in einer Wohnung. In meinem konkreten Fall sorgt der Abstand für gehörige Revision des ersten Urteils.

Erstens habe ich beim Suchen einer Hose gestern zwei Handtücher gefunden! Das beruhigte und trocknete mich ungemein. Come Vogon or high water, ich bin gewappnet.
Zweitens - und viel gravierender! - hat diese Wohnung nun wahrlich NICHT alles, was man so braucht. Der Flatscreen, der so groß ist, dass ich in der Diagonale drauf passe, ist schon cool. Aber, und das ist ein großes Aber, sie hat weder einen Wasserkocher noch einen Topf!
Da steht zwar eine Mikrowelle und ein Toaster, auch einen Dosenöffner gibt es, aber keine Pfanne, kein Topf, kein Gemüseschäler, nicht mal ein scharfes Messer.

Bizarrerweise passt wiederum die Gewichtung der Einrichtung zur Umgebung. In der Eckstraße befinden sich nämlich zwei Fahrrad-Reparaturshops und zwei Dönerläden nebeneinander, dafür aber kein Supermarkt. Völlig verzweifelt habe ich heute daher in Rewe im Tal Milch, Zucker und Joghurt gekauft. Immerhin liegt aber die Wohnung sehr nah bei meinen Eltern, so nah sogar, dass ich beim Spazierengehen plötzlich in ihrer Straße stand. So ging ich auf einen Ratsch vorbei und hatte so einen hübschen Absacker ohne Aufwand. Nach einem recht anstrengenden ersten Arbeitstag war das verdient und lohnenswert.

Tuesday, June 14, 2011

München ohne Handtuch

Jetzt hab ich tatsächlich mein Handtuch vergessen. Wer den Anhalter durch die Galaxis kennt, weiß, dass das ein Fehler ist, der über Leben und Tod entscheiden kann. Naja, vielleicht nicht unbedingt über Leben und Tod, oder nur in Extremfällen, aber doch über sehr viel Luxus und Bequemlichkeit. In einem Ein-Zimmer-Apartment in der Münchener Maxvorstadt sind die Folgen weit weniger verheerend, aber immer noch sehr nervig.
Jedes Mal, wenn auch nur ein Tropfen Wasser über meine Hände fließt, greife ich nach rechts an den Handtuchhalter und in die leere Luft, erinnere mich an mein Missgeschick und denke mir Homer Simpson gleich: D’oh!

Sonst sind der Umzug und die Neueinlebung erstaunlich fehlerlos abgelaufen. Zwar brach der Boden eines Kartons auf dem Weg von Auto zu Wohnung, aber nichts ging kaputt. Der Deckel war festgeklebt und so drehten wir die Kiste einfach um! Also auch kein Beinbruch. Sonst war alles reibungslos.
Um eins haben wir uns auf den Weg gemacht, um halb drei waren wir hier, eine Stunde später sind wir essen gegangen. Die Wohnung in Regensburg ist sauber und bis aufs Mobiliar leer geräumt, das Apartment hier hat alles was man braucht. Bei meinen Eltern bekam ich sogar noch ein Rad (und Spargel), mit dem ich soeben noch durch die Straßen Schwabings nach Hause fuhr. Mal wieder dachte ich (und ich werde es noch oft denken): München ist so schön. Ein leichter Regen hatte die Straßen benetzt und zum Glänzen gebracht. Es war eine laue Nacht. Kaum ein Auto kreuzte meinen Weg, auch nicht, als ich an meinem Lieblingsitaliener vorbeifuhr, der meinen Weg in ein warmes Licht tauchte. An den Straßen stehen fast überall Bäume, und schließlich stand vor meiner Hauseinfahrt ein knutschendes Pärchen. Was will man denn mehr vom allerersten Heimweg.

Auch die Handtuch-Misere nahm ein glückliches Ende. Unter einem Waschlappen in meinem kleineren Koffer habe ich zu guter Letzt immerhin einen Sarong entdeckt, was in Thailand durchaus als Handtuch gilt. Das ist ein Behelfsmittel. Ob es im Weltraum dazu führen würde, dass mir ein dahergelaufener Strag alles Mögliche leiht, vom Apfel bis zur Zahnspange, das weiß ich nicht. Meine letzte Hoffnung bleibt, dass die Vogonen erst morgen nachmittag angreifen, wenn ich mir ein Handtuch gekauft habe.

Monday, June 13, 2011

Abschied

Das Zimmer hallt schon. Morgen geht es auf an die Isar. Die Schränke sind leer, die Regale sind leer, der Magen ist voll, der Kopf quillt über und das Herz auch. Eben saß ich noch mit einer Freundin auf dem Bett und habe Kuchen gegessen, jetzt ist schon die letzte Nacht angebrochen.

Wie es immer so passiert, dass einem am Ende noch mal alles zugespielt wird, was wirklich wichtig war. Im Kreise einer sehr lieben Freundin traf ich Stefan, der Matthias mitbrachte und damit einen sehr lieben Menschen, der verschollen schien. Viel sehr gute Zeit habe ich mit den Dreien verbracht, und es ist eine Sauerrei, dass die Zeit verstreicht und plötzlich weg ist.

Da steh ich nun wie ein verspäteter Faust und denke mir: halt, da, gerade eben, da wollte ich doch sagen: "Verweile doch, du bist so schön." Können wir nochmal auf Anfang?

Aber das geht nicht. Nochmal erleben ist unmöglich, und so bleiben nur Fotos von Festen, Geschenke, Mitbringsel, Karten, und diese ungezählten kleinen Momente, wo man zwischen zwei Kursen völlig gestresst Kaffe mit Freunden trank, oder gemütlich im Kino saß und sich über Hollywoods Unrealismus aufgeregt hat, oder am Bismarckplatz saß und geratscht hat. So viele von diesen kleinen Momenten sind das, dass sie wie ein Mosaik ein riesiges Bild ergeben voller Farben und Leben.

Natürlich gab es auch die großen Momente! Theater- und Choraufführungen, bei denen man auf der Bühne stand, WM-feiern mit allen Lieben und der ganzen Stadt, durchzechte Nächte und gebrochene Herzen.
Aber die erscheinen so nichtig im Vergleich mit den vielen Süßigkeiten des Alltags, wie es gute Gespräche und friedliches Schweigen sind.

Schließlich steht unter dem allem ein Uni-Abschluss und ein paar Gesichter, die man sich merkt.

Schwer fällt es mir nicht, der Stadt den Rücken zu kehren. Ich hab hier nichts verloren. Es zieht mich in die Großstadt, in das schnelle Leben, in die Innenstadt ohne Wackersteine, auf denen man hohe Schuhe tragen kann. Es zieht mich in die Stadt mit der U-Bahn, wo man morgens Kaffee trinken und Zeitung lesen kann. Es zieht mich zur Familie und zu alten Freunden.

Aber ein, zwei handverlesene Menschen würde ich einfach gern mitnehmen aus Regensburg. Ich würde sie gern wie bei diesen Automaten mit den Greifarmen aus dem Gewühl herauspicken und nach München setzen, irgendwo in meine Nähe, damit ich anrufen kann und sagen: "Du, ich brauch grad ne Pause, lass uns Kaffee trinken gehen." Oder: "Hey, heut abend spielt n Bekannter von mir ein Konzert, magst mitkommen?" Oder: "Mir is fad, kann ich vorbeikommen?" Oder: "Ich lad dich zum Essen ein, komm vorbei."

Nun, ich bin erwachsener geworden, oder zumindest älter, und bin mir sicher, dass ich das auch so hinkriege, eben jenes zu den Menschen zu sagen und in die Tat umzusetzen. Nur vielleicht mit ein, zwei Tagen Planung.

Ob erwachsen oder nicht, zumindest weiß ich mehr als vorher. Zwei Dinge  bin ich aber mit Sicherheit geworden: das eine ist Politikwissenschaftler. Ich liebe mein Fach und werde Graham Allison oder John Lewis Gaddis immer jedem erfundenen Krimi vorziehen.
 Das zweite, was ich geworden bin, ist ein Salamander. Wo doch alle Menschen irgendwo ihren persönlichen Schlag haben, ist es doch erstaunlich einen Kreis von Menschen zu haben, der den gleichen Schlag hat wie man selbst. Ich bin gern ein Salamander.

Nein, verloren habe ich in Regensburg nichts. Aber einiges gewonnen, und dafür bin ich dankbar.

Es war eine schöne Zeit, und Regensburg ist immer noch und war Heim von ein paar wundervollen Leuten. Und von ein paar deppen. Aber wen interessieren die schon. Wenn man so zurück schaut und der Blick von Tränen verklärt ist, sieht man ja doch nur die großen, wichtigen Dinge, die sich festgesetzt haben, wie die Freunde, die immer für einen da sind und die schandhaft hässliche Uni, in der man so lang festsaß. Das Wichtige wird in München weiter geführt werden, der Rest verliert sich im Nebel. So soll das auch sein.