LL Aktuell

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Geschichten und andere Geschichten

Monday, June 13, 2011

Abschied

Das Zimmer hallt schon. Morgen geht es auf an die Isar. Die Schränke sind leer, die Regale sind leer, der Magen ist voll, der Kopf quillt über und das Herz auch. Eben saß ich noch mit einer Freundin auf dem Bett und habe Kuchen gegessen, jetzt ist schon die letzte Nacht angebrochen.

Wie es immer so passiert, dass einem am Ende noch mal alles zugespielt wird, was wirklich wichtig war. Im Kreise einer sehr lieben Freundin traf ich Stefan, der Matthias mitbrachte und damit einen sehr lieben Menschen, der verschollen schien. Viel sehr gute Zeit habe ich mit den Dreien verbracht, und es ist eine Sauerrei, dass die Zeit verstreicht und plötzlich weg ist.

Da steh ich nun wie ein verspäteter Faust und denke mir: halt, da, gerade eben, da wollte ich doch sagen: "Verweile doch, du bist so schön." Können wir nochmal auf Anfang?

Aber das geht nicht. Nochmal erleben ist unmöglich, und so bleiben nur Fotos von Festen, Geschenke, Mitbringsel, Karten, und diese ungezählten kleinen Momente, wo man zwischen zwei Kursen völlig gestresst Kaffe mit Freunden trank, oder gemütlich im Kino saß und sich über Hollywoods Unrealismus aufgeregt hat, oder am Bismarckplatz saß und geratscht hat. So viele von diesen kleinen Momenten sind das, dass sie wie ein Mosaik ein riesiges Bild ergeben voller Farben und Leben.

Natürlich gab es auch die großen Momente! Theater- und Choraufführungen, bei denen man auf der Bühne stand, WM-feiern mit allen Lieben und der ganzen Stadt, durchzechte Nächte und gebrochene Herzen.
Aber die erscheinen so nichtig im Vergleich mit den vielen Süßigkeiten des Alltags, wie es gute Gespräche und friedliches Schweigen sind.

Schließlich steht unter dem allem ein Uni-Abschluss und ein paar Gesichter, die man sich merkt.

Schwer fällt es mir nicht, der Stadt den Rücken zu kehren. Ich hab hier nichts verloren. Es zieht mich in die Großstadt, in das schnelle Leben, in die Innenstadt ohne Wackersteine, auf denen man hohe Schuhe tragen kann. Es zieht mich in die Stadt mit der U-Bahn, wo man morgens Kaffee trinken und Zeitung lesen kann. Es zieht mich zur Familie und zu alten Freunden.

Aber ein, zwei handverlesene Menschen würde ich einfach gern mitnehmen aus Regensburg. Ich würde sie gern wie bei diesen Automaten mit den Greifarmen aus dem Gewühl herauspicken und nach München setzen, irgendwo in meine Nähe, damit ich anrufen kann und sagen: "Du, ich brauch grad ne Pause, lass uns Kaffee trinken gehen." Oder: "Hey, heut abend spielt n Bekannter von mir ein Konzert, magst mitkommen?" Oder: "Mir is fad, kann ich vorbeikommen?" Oder: "Ich lad dich zum Essen ein, komm vorbei."

Nun, ich bin erwachsener geworden, oder zumindest älter, und bin mir sicher, dass ich das auch so hinkriege, eben jenes zu den Menschen zu sagen und in die Tat umzusetzen. Nur vielleicht mit ein, zwei Tagen Planung.

Ob erwachsen oder nicht, zumindest weiß ich mehr als vorher. Zwei Dinge  bin ich aber mit Sicherheit geworden: das eine ist Politikwissenschaftler. Ich liebe mein Fach und werde Graham Allison oder John Lewis Gaddis immer jedem erfundenen Krimi vorziehen.
 Das zweite, was ich geworden bin, ist ein Salamander. Wo doch alle Menschen irgendwo ihren persönlichen Schlag haben, ist es doch erstaunlich einen Kreis von Menschen zu haben, der den gleichen Schlag hat wie man selbst. Ich bin gern ein Salamander.

Nein, verloren habe ich in Regensburg nichts. Aber einiges gewonnen, und dafür bin ich dankbar.

Es war eine schöne Zeit, und Regensburg ist immer noch und war Heim von ein paar wundervollen Leuten. Und von ein paar deppen. Aber wen interessieren die schon. Wenn man so zurück schaut und der Blick von Tränen verklärt ist, sieht man ja doch nur die großen, wichtigen Dinge, die sich festgesetzt haben, wie die Freunde, die immer für einen da sind und die schandhaft hässliche Uni, in der man so lang festsaß. Das Wichtige wird in München weiter geführt werden, der Rest verliert sich im Nebel. So soll das auch sein.

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