LL Aktuell

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Geschichten und andere Geschichten

Saturday, February 1, 2020

Das Albinoschwein

 Das Albinoschwein
Unweit von den schönen Feldern zwischen dem Sportzentrum und der Universität lebt das Albinoschwein. Dort wo sich Hasen tummeln, dort in der Nähe von vielen Rehen und manchmal einem Fuchs und mal einem Falken lebt es unter den Bäumen des botanischen Gartens und stöbert sich durch die Gegend. Bevorzugt liegt es unter einer Hecke Richtung Straße und man sieht von seinem gewaltigen weißen Körper nur den Kopf mit dem langen zuckenden Rüssel.
Das faule Schwein
Es liegt dort im Herbst mal für eine ganze Woche unbeweglich unter dieser Hecke hinter dem Botanischen Garten Richtung Straße, und dort liegt es weil es dort besonders gute Pilzplätze gibt. Besonders schön ist es im Übergang zwischen Sommer und Herbst, wenn es noch warm genug ist, aber schon feucht genug für viele Pilze, die aus dem Boden sprießen. Dann liegt das Albinoschwein, sein Körper versteckt von grünen Bäumen und Büschen, dort und wartet, bis im Regen mal wieder ein Pilz direkt vor seiner Nase aus dem Boden geschossen kommt - wie die Pilze sozusagen! - und dann macht es HAMMS und frisst den Pilz auf. Das ist eine Stelle, da passiert das sooft, dass es sich während der ganzen Regenzeit kaum zu bewegen braucht. Eigentlich gar nicht. Seine Verdauung ist derart auf diese Pilze spezialisiert, dass von den Pilzen am Ende nichts mehr übrig bleibt. Und wie kommt das?
Das liegt daran, dass schon seit Generationen dieses faule Verhalten im Blut des Albinoschweins steckt. Schon sein Vater und sein Großvater lagen dort und fraßen - Happs! - Pilze, die aus dem Boden sprossen.
Einmal, so sagt die Legende, hätte der Urururururgroßvater von unserem heutigen Schwein einen derart verregneten Sommer erlebt, dass er zwei Monate ohne Bewegung ausharren konnte an diesem Fleck. Und ihm - dem Urururururgroßvater von unserem jetzigen Schwein ist es auch zu verdanken, dass ein Albinoschwein tage- und wochenlang auskommen kann ohne aufs Klo zu gehen. Daher kommt der Luxus von unserem faulen Albinoschwein, das da tagelang in der Gegend herumliegt und Pilze frisst.
Ach, was für ein schönes Leben, das das Albinoschwein führt, könnte man jetzt denken. Den ganzen Tag faul in der Gegend herum liegen und fressen. Wie im Schlaraffenland. Ja, könnte man sagen, es ist gar kein Albinoschwein, es ist ein Schlaraffenschwein!
Aber lasst euch nicht den Blick trüben von dieser Woche Luxus – oder auch zwei, je nach Regenperiode! - die das Albinoschwein im Jahr genießt. Normalerweise ist die Nahrungsbeschaffung unseres weißhäutigen Freundes deutlich komplizierter und mit viel mehr Bewegung verbunden. Zum Beispiel im Sommer.
Das wilde Schwein
Im Sommer muss das Schwein umherlaufen und den Boden durchstöbern und da frisst es, was ihm vor den Rüssel kommt. Besonders schön ist es im Sommer, wenn man leckere Blüten aus dem Botanischen Garten essen kann und faule Studenten Picknicks auf der Wiese machen, deren Reste sie nicht verzehren, sondern in Mülleimer werfen oder auf der Wiese lassen. Ganz im Gegensatz zum weitläufigen Vorurteil sind die Studenten eigentlich ganz ordentliche Gesellen, die ihren Müll schön stapeln. Das Chaos auf der Uniwiese liegt nur am Albinoschwein, das später durch die Lande zieht und diese Müllhalden wieder zerstört! Es durchwühlt die Reste so lange, bis es das Beste darin findet und pickt es sich heraus, denn so ein Albinoschwein​ ​ist ein Delikatessenesser.
Das Jagdschwein
Wenn es sich gerade nicht von Blüten oder Müllhalden ernährt, dann frisst das Albinoschwein auch mal

 ein Eichhörnchen oder einen Hasen. Was der Ottonormalverbraucher gar nicht weiß oder gerne wieder vergisst, ist, dass ein Schwein ein Allesfresser ist. Im Gegensatz zum weit​ ​verbreiteten Glauben isst es
nicht vegetarisch, nein, im Gegenteil, es isst auch gerne mal ein frisches Stück Fleisch! Unser Schwein ist ein besonders wildes Schwein. Es galoppiert durch die Gegend, Hügel herauf, Hügel herab, Bergketten entlang, es weicht wilden Fahrradfahrern aus, es springt über Erdlöcher und daher kann es auch einen Hasen jagen, oder, noch besser, ein Eichhörnchen. Hasen jagen ist schwierig, die schlagen so viele Haken, aber Eichhörnchen, man denkt es nicht, sind nicht nur besonders possierlich, sie sind auch besonders dumm.
Sie halten unser Albinoschwein wie viele Menschen für einen Gemüseesser. Dabei stimmt das gar nicht. Ein fataler Fehler! Denn so hat das Albinoschwein ein leichtes Spiel.​ ​Es schleicht sich an, relativ laut, denn so ein Schwein, das schleicht sehr schlecht, schleicht sich an das Eichhörnchen ran, wenn es da sitzt und eine Nuss knackt. Das Eichhörnchen hält es für einen freundlichen Gesellen und bewegt sich nicht. Es ist völlig besessen von seiner Nuss! Dann kommt unser Albinoschwein dahergetrottet, reist sein Maul auf und mit einem Happs ist das Eichhörnchen verschluckt.
Das verliebte Schwein
Freilich ist dem Albinoschwein auch die Liebe nicht fremd. Wenn im Frühling die Bäume wieder erwachen und die Blumen sprießen, flattern nicht nur um, sondern auch im dem Schweinebauch die Schmetterlinge. Es wird von einer Hetze erfasst, die es nicht mehr in Ruhe lässt, ein rasendes Toben erfasst es, das nur von einer gestillt werden kann: Anita!
Schwein trifft Anita einmal jährlich und die beiden verbringen die zwei süßesten Wochen. Anita ist ein srilankesisches Austauschschwein. Jahrelang hatte sich Schwein mit dieser Horde von Eindringlingen herum geärgert, die da auf seinen Campus einfielen, sein Futter fraßen und in seinem See badeten. Bis Anita an ihm vorbei galoppierte. Ihre langen schwarzen Haare flatterten im Wind wie eine Woge aus flüssigem Ebenholz, ihr gewaltiger Bauch schwang im Rhythmus ihrer Hufe von links nach rechts und ein glockenhelles Lachen begleitete sie. Schwein war ihr gefolgt wie in Trance, hatte ihre Bewegungen beobachtet und ihren Schweiß gerochen. Doch es konnte sie nicht ansprechen in der Horde von gackernden Schweininnen, mit denen sie immer unterwegs war.
Eines Abends jedoch traf er sie allein. Sie stand auf einem Hügel im Sonnenuntergang und ihre Vorderpfote hatte sich in einem Butterpapier verfangen. Sie schimpfte wie ein Fuhrkutscher, mit verzweifelten Bemühungen schüttelte sie ihren rechten Huf, ächzte und stieß ihn in den Boden, aber das vermaledeite Butterpapier klebte an ihr wie Fliegen an der, naja egal. Da hatte Schwein seine Gelegenheit erkannt: entschlossen war es vorgetreten und stampfte mit seiner Pfote auf das Papier. Anita hatte die Luft eingesogen, als sie ihm in die Augen blickte. Vielleicht war es nur die Aufregung durch die körperliche Anstrengung im Kampf mit dem Butterpapier gewesen, doch Schwein hätte schwören können, dass die zarte Blässe ihrer Wangen durch seinen Blick leicht gerötet wurde. Mit einer federleichten Bewegung hatte sie ihren Fuß von dem liederlichen Papier befreit, das er dann mit einer kräftigen Bewegung seiner Schnauze zur Seite stieb. „Danke schön“ hatte sie gesagt und er hatte geantwortet: „Ich bin Schwein.“ Danach waren sie unzertrennlich gewesen. Er hatte ihr den Campus gezeigt, die Restesammlung der Bio-Cafeteria, die delikaten Ginkobäume, die weiten Felder des Sportzentrums und den verwilderte Garten am Klinikum. Sie hatte ihm von Sri Lanka erzählt und ihm das Lesen beigebracht. Dazu waren sie zum Kindergarten gelaufen und hatten bei den Spielen zugeschaut, wo die Kindergärtnerin Tafeln hochhielt und komische Geräusche dazu machte. Mit Anitas Hilfe hatte Schwein die Striche verstehen gelernt und die Töne, für die sie standen, zu Wörtern zusammen setzen können.​ ​Im nächsten Jahr war sie wieder gekommen, und sie hatten weiter gelernt und gespielt.​ ​Als sie dabei einmal durch das kleine Waldstück bei der Autobahnbrücke streunten war es passiert. Sie hatten Fang-den-Tausendfüssler gespielt, ein klassisches Schweinespiel, bei dem das eine Schwein den Boden aufwühlt um den Tausendfüßler aus seinem Loch zu locken, und das andere Schwein den Tausendfüßler so lange drangsaliert, bis er in das Maul vom ersten Schwein läuft. Mit viel Gekicher hatte Anita den Boden aufgewühlt, und Schwein stürzte sich voller Elan auf das Krabbeltier als seine und Anitas Rüssel zusammen stießen. Wieder hatte Anita ihren Atem eingesogen als sich ihre Blicke trafen, wieder war sie rot geworden, aber diesmal verzog sich ihre Schnauze zu einem Lächeln. Mit einem saugenden

 Geräusch hatten sich ihre Mäuler getroffen, und diesmal war es Schwein, der rot wurde. Ein Schmatzen folgte und ein „Plopp“, als sich ihre Mäuler wieder trennten. Schwein hatte gar nicht reagieren können, er versuchte etwas zu sagen, aber sein Kopf war überfließend voll von Seifenblasen, die zerplatzen, „plopp“, „plopp“, „plopp“. Sie waren einfach wieder zurück zum Campus gegangen, nur diesmal Pfote an Pfote, die weiche Haut ihres Oberschenkels gepresst an seine. Der Kuss hatte sich natürlich wiederholt und erweitert. Das war jetzt vier Jahre her und wiederholte sich jährlich für zwei Monate im Frühling.
Schwein freute sich schon auf den nächsten Frühling. Aber das war noch ein halbes Jahr hin, jetzt galt es erst einmal, die Pilzsaison zu genießen.
Schön ist es hier. Es ist gerade Ende der Regenzeit, drei schöne Wochen hatte es liegen können und langsam wurde es wieder kalt. Es würde sich bald einen Blätterhaufen in der Tiefgarage bauen müssen, wo es sich im Winter gemütlich verstecken konnte, aber noch ist es nicht soweit.​ ​Noch liegt es geschützt vor der Sonne unter dem Blätterdach der großen Buche im kühlen Gras. Ein Windhauch streift vorbei und verursacht ein laues Rascheln. Das Albinoschwein schläft ein.
Als es nachts wieder erwacht steht ein Pilz vor seiner Nase. Nicht lange. Der Kopf kippt nach links, der Kiefer klappt auf und mit einem schmatzenden Geräusch, saugend und feucht, wird der Pilz zwischen die Zähne genommen. Mit gewaltigem Schwung schließt sich der Kiefer wieder. Rumms. Der Pilz ist weg, in der Mundhöhle des Schweins, zerdrückt von einer fleischigen Zunge wandert er hinab in die schwarze Magengrube des weißen Schweins. Es rülpst und schläft weiter.
Plötzlich schlägt es die Augen wieder auf. Irgendetwas war. Lärm. Doch welcher? Weder war es ein Auto mit kreischenden Reifen und kreischenden Studenten, noch ein Bus mit alten Menschen, noch ein Sanka der mit Blaulicht zum Klinikum hochjagt. Auch kein Fahrradfahrer, betrunken oder nüchtern, kein Jogger, und beileibe mitten in der Nacht im Oktober auch kein verliebtes Pärchen.
Es war eine Kettensäge.
Mit einer gewaltigen Anstrengung rappelte es sich hoch. Seine Glieder schmerzten, zu lange hatte es auf seiner faulen Haut gelegen, seine Beine waren die Anstrengung nicht ehr gewohnt, die Muskeln waren abgeschlafft, müde, weich. Sein Körper ächzte als es sich unbeholfen in einen watscheligen Galopp aufmachte, gerade noch rechtzeitig bevor der armdicke Ast, den der Gärtner über seinem Kopf abgesägt hatte, ihn treffen konnte. Schwein hörte den dumpfen Aufprall auf der weichen Erde hinter ihm, Angstschweiß trat auf seine Stirn. Doch das Geräusch beschleunigte es, japsend und keuchend machte es sich auf den Weg zum Inneren des Campus. Eine weite Wiese lag vor ihm, und plötzlich wurde es ihm bewusst, wie ungeschützt und offen die Lichtung vor ihm war. Es blieb stehen und blickte sich zitternd um. Wie auf Eierschalen trat es​ ​weiter nach vorne. Es war so seltsam, jahrelang war es über die Wiesen gehoppelt, frei und unbekümmert im Sonnenschein, umgeben von Blumen und Schmetterlingen. Plötzlich hatte es Angst. Alles hatte sich verändert. Das Mondlicht war nicht mehr romantisch, sondern kalt und grausam, der Tau auf den Grasstängeln war nicht mehr erfrischend, sondern machte es fröstelnd. „Wo soll ich hin?“ fragte es verwirrt. „Wrrrrrrääähhhhrr,“ gab die Kettensäge zur Antwort, „wrrrrääääähhhrr, wrrrääährrrrrr.“
Schaurige Bilder traten dem Albinoschwein vors innere Auge, Bilder von ihm, erschlagen von einem Ast auf dem Pilzplatz mit gebrochenem Rückrat, oder schlimmer, Bilder davon, wie sich die Kettensäge in seinen weichen Hals fraß, seine Augen ausdruckslos geöffnet, während seine Haut sich langsam rot färbte. Die Schmerzen seiner Muskeln ignorierend lief es weiter, lief zum See um eine Schnnauze voll zu trinken.
„Igitt!“ schoss es ihm durch den Kopf und es spuckte den Schluck Wasser gerade rechtzeitig aus, bevor es seine Kehle runter rinnen konnte. Es schmeckte schal und abgestanden, und als es genauer hinblickte, sah es schleimige grüne Flecken auf der Wasseroberfläche schwimmen. Jetzt war es soweit. Sie hatten den Uni-See vergiftet. Überall am See waren weiße Zettel verteilt und an den Bäumen aufgehängt. Schwein erinnerte sich vage an die Lernspiele mit Anita, bei denen Symbole ausgesprochen und zusammengesetzt wurden. „Aeiou“ machte es, und „be“ und „ha“ und „ka“ und „el“ und „em“. Schwein trottete zu einem der Blätter und beugte sich darüber:
„DAS PRÜFUNGSAMT VERKÜNDET JAGDSAIS​ ​O​ ​N​ ​E​ ​R​ ​Ö​ ​F​ ​F​ ​N​ ​E​ ​T“ Jagdsaison? Sowas hatte es noch nie gegeben! Seine Mutter hatte ihm davon erzählt in Gruselgeschichten und als Abschreckung: „Wenn du deine Grütze nicht isst, wird die Jagdsaison

 eröffnet,“ hatte sie gesagt zum Beispiel. Jagdsaison, das wären haarige Männer mit Bäuchen und Gewehren, aber das gab es an der Uni nicht.​ ​Albinoschweine starben im Schlaf, nach einer langen
Lebensdauer, sie liefen auf den entferntesten Winkel des Unigeländes, legten sich hin und hauchten ihren letzten Atem aus. So war es bei seinem Vater gewesen, und bei seinem Großvater, bis hin zurück zu seinem Urururururgroßvater. Ungläubig las Schwein weiter. „Schweineaufenthaltszeit wird beendet nach Beschlussfassung 7.13, Beschwerden wurden bis vorgestern im Keller des Sammelgebäudes angenommen. Entscheid einstimmig angenommen. Erlaubte Jagdmittel sind Schusswaffen, Speere und Pfeil und Bogen, Kettensägen.​ ​Nicht erlaubt: Wurfsterne und Steine.​ ​Dieser Zettel wurde maschinell erstellt und ist ohne Unterschrift gültig.“ Mehr stand da nicht. Schwein wusste trotzdem, was das hieß. Die Kettensäge jaulte auf, Schwein bemerkte, dass sie näher gekommen war. Das vergiftete Wasser schien es auszulachen. Die Uni schmiss es raus. Das bedeutete es. Schwein würde gehen müssen Unwiderruflich. Gehen oder Sterben. Nicht Biologie, nicht Theologie, nicht Juristerei würden ihm mehr helfen können. Hätte die Säge es nicht geweckt, wäre es wahrscheinlich gar nicht mehr aufgewacht. Bevor Schwein den Prüfungsämtlern eine Gelegenheit geben würde, ihn zu erschießen, kehrte es der Unikugel den Rücken zu und trottete den Kiesweg entlang, der vom Campus zur Bushaltestelle führte. Vielleicht würde es bei Anita unterkommen können, es wusste es nicht, es war auch egal, es musste weg hier, und nie würde es wieder kommen können. Als es ging, hing sein Kopf kraftlos herunter und seine Ohren wackelten im Takt seiner Schritte. Irgendwann würde es wieder kommen und seine Kinder hire aufziehen. Aber nicht heute.

Wednesday, October 3, 2018

Panik

Panik, die uns treibt, ist nichts erwähnenswertes. Es ist immer die gleiche Panik, die ihr auch alle kennt. Panik vor Veränderungen, Panik die kommt wenn man etwas Großes plant, Panik, die dich wach hält. Im Kopf gehst du alle Eventualitäten durch, alle Horrorszenarien - Panik im Kopf. Je größer die Panik desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass man sich entsprechend vorbereitet auf das große, drohende was-auch-immer. Und Panik, die dafür sorgt, dass alles gut wird. Panik. Panik in Träumen.

Träume, die ganz harmlos anfangen, zum Beispiel mit asiatisch essen gehen. Nur, dass einem dann nicht nur Lachssashimi serviert wird, sondern noch Vogelkopf-Carpaccio vom Rotkehlchen. Dünne, orangene Scheiben mit grauem Flaum. Da sitzt du in diesem riesigen Wirtshaus auf einer Holzbank, blickst auf deinen Teller mit dem orangenen Lachsfleisch und wunderst dich, was da denn noch unter dem Beilagengemüse liegt. Und dann wird dir schlecht. Der Kellner, eilends gerufen, ist irritiert. Eine Spezialität liegt da vor dir. Er druckst herum, wohl wegen seiner Dienstleistungsrolle die er gerne devot erfüllen möchte. Doch dein Affront überwiegt. Schnell wird dir klar, was du da angerichtet hast, da ist es zu spät. Er holt den Inhaber. 
Der sitzt dann ganz ruhig und elegant neben dir, die Hände im Schoß gefaltet. Gleichmütig erklärt er dir, dass du ihn und seine Kultur beleidigst. Affen stürmen ins Gasthaus. Sie verwüsten den hinteren Teil, während du dich vorne windest. Es hebt dich immer noch. Die Rotkehlchenkopfscheiben liegen gut sichtbar vor dir. Die Affen kreischen. Der Geschäftsführer ist unbeeindruckt. Die asiatische Kultur. Die Auswirkungen seines Handelns sind dir voll bewusst. Du windest dich, beugst den Kopf, die Hände aneinander gepresst. Ja du verstehst, es ist auch garkeine Beleidigung, es ist ein Missverständnis, es tut dir leid, das wolltest du nicht bestellen, alles sei gut, nur ein Missverständnis. Der Geschäftsführer rührt keine Miene. Die Affen haben inzwischen ganze Arbeit geleistet, zwei Drittel der Gäste im hinteren Bereich sind bereits geflohen mit zerzausten Haaren und zerrissener Kleidung. Ein kleiner Teil blieb noch, mit geduckten Köpfen eilten sie ihr essen herunter um möglichst bald zu gehen. Das muss doch dem Geschäftsführer auch bald zu dumm? Aber nein. 
Erst als der Elefant reingestürmt kommt. Da ist es jetzt aber vorbei. Ein junger, indischer Elefant kommt durch den Mittelgang gestürmt und schlägt mit dem Kopf links und rechts die Bänke um. Da rennen auch die letzten, selbst die Affen verschwinden. Du rettest dich mit einem Hechtsprung aus dem Weg und rennst. Der Geschäftsführer ist auch aufgesprungen und geflüchtet Richtung Küche. Da ging es dann plötzlich mit der Beweglichkeit. Und während der Elefant alles zerstört, beruhigt sich langsam dein Panikkopf. 
Nur um danach ein Loch in deinem Bauch zu entdecken.
Du glaubst es nicht, ein bisschen kratzt du an einem Schorf auf deinem Bauch, ganz klein und rund ist er. Geht er natürlich ab. Und was kommt darunter zum Vorschein? Ein Loch! Ein veritables Loch, direkt durch die komplette Haut geht es in deinen Bauch zum Darm und was darum ist, die Wände des Lochs, es ist ja mehr ein Tunnel, sind glatt verwachsen und schön verheilt. Als hätte jemand einen Zugang gelegt,  und der Schorf war der Stöpsel.  Da bloß jetzt nicht zu viel bewegen! Sonst fließt alles raus.

Panik. Panik sorgt gern dafür, dass du dich super vorbereitest. Mögen diese Träume auch für etwas gut sein. 

Thursday, September 27, 2018

Travelling home for the last time

Alas, once again it’s true: finish on a high note, get out while it is best, when you enjoy it the most as my mum used to say. I really did that on my last day of work.
Or it was the other way round: Leaving made my work best definitely. 
For weeks I’ve been walking on razorblades at work, and once the plan to leave is ripe: goodbye became so bittersweet.

What shall I say? Pictures describe it better. Fun, happy, crazy people, inspiring me to be my best fun, happy, crazy self. Woah, will I miss these people. 

You know how things always seem sweeter when you say goodbye? Even if this was true: that must have been very sweet to start with. 

I met incredible people there. 
One woman I met who is very warm-hearted. She gave me the feeling of being naturally loved and save and sound - like a walking feeling of home, she is. I am not gonna leave her behind, believe me. 
That is basically the most important thing about her, I could mention that she was a fellow Bryan Adams fan. And loves to travel. And binge-watch series. And stuff. But the most important thing is her warm-heartedness. And maybe the fact she once traveled with one of Bryan Adams tours. I always knew there were these people, I just haven’t met one before in my daily life. It is so cool and inspiring, that people not only dream about something they want to do, but actually do stuff! And she is one of them!

Then so many kind people - three gentlemen who are a little older (oh, would they be uproaring against the term elderly, and they are not what the English word means, I’m searching for the similar German meaning - you know, in the fifties with grown kids already) with perfect father-figure qualities, making fun of crazy youngsters, laughing with us, and apart from that having soothing words of wisdom, and were all exceptionally well mannered and charming. They were really the back-bone of the group. 
One of them was „fellow food enthusiast and tea lover“. I revel in his joy whenever he eats something good. I think him talking about that pork steak in the hotel can make me laugh even in the worst of times. And he introduced me to pu-erh-tea which I wouldn’t have chosen elsewise, but - to use his words - „was so good!“ imagine please me saying that with my eyes wide open and a long-spread gooood. Then you got an impression of him. 

One tiny woman with only a first name. Who took always pictures of her food. Oh there are so many special things about her you could nearly forget that she is fun, happy and passionate. Really, she only has a first name! And because this is not acceptable in our western standard IT-forms, she had to invent a last name for herself, calling herself K. Obviously this is a thing in the phillipines, having only a first name. 
I forgot to ask whether she always uses the same last name or if she invents different names. 
Well, she has that older sister vibe, making fun of you and caring at the same time you know? 

One giant - there is always one, right? ;) he is one of these admirable persons who have a crapload of work but still manages to smile all the time. He explained me my job in baby steps, with all the patience in the world and of course smiling. Definitely one of these people you work with and instantly ask yourself: why can’t I be that patient and kind? And next to that he is gun and whitty, so really easy to talk to, but he didn’t join the evening dinner rounds so I only got a work impression. 
But his work ways are really special. Until meeting him I hadn’t known that way of working really existed. Now that I know I have a chance to become that or a little more like it. I am jealous of the people in his team however, under his wing. After all, that would have been a team where I could have stayed in that job. 

Talking about that team: blimey did they make my day - and the day after and after. There was this understanding without words - you know they did the same job I did, but in spite of me they were actually trained to do so. And had an awesome boos who took care of them. Not only did they help me very much, but they shared their wisdom about surviving the day without rage attacks. Service desk agents have a shitty job. I changed my view on them totally, and I know for very sure: this is no job for me.  
People really treat common mailboxes like shit.    I think they subconsciously expect a robot working on the Mailbox as soon as they don’t have a visible name in the address anymore. However, what the guys told me was the trick about the „black list in your mind“. Service desk folks may not really be able to blacklist you, and they will fulfill your every request sooner or later. But if you piss them off enough, „as soon as possible“ changes meaning. What you want it to mean is: right after finishing this sentence. What it turns into: as soon as I am no longer upset when I read your mail. Your impolite, impatient mail that treats me like a robot, that is! 
Phew, THAT part of the job I am obviously not missing. 

But many other things. The dinner rounds. The breakfast rounds. The neat, clean hotel. How people saved me a seat when I came late. 
You get a glimpse in „among Hotel people“, but basically it was this international community that finds itself in projects. His particular community really made an effort. They sat together every evening for dinner and would chit - chat about anything but work. And they did that in the mornings with breakfast, too. We were chit-chatting about singing in the shower (yes, of course one of the gentlemen, who else). About motorbiking. About concerts from your favourite artist. About cars. And about omelettes that were so good, they want to propose to the chef. (That young woman who is the chef was very, very confused when that finally happened). 

And the pool of course. 
My gym had a branch over there, and it features the nicest pool. It is on the fifth floor with a glass window front showing the tower, this awesome beauty sparkling in the sunshine.  It is not too big so you don’t have dozens of crazy fast sport swimmers. And: it is a little bit warmer than the average gym pool. So basically, it is a spa. :D and I went there every evening after having dinner with the three gentlemen. 

You know how they say things keep getting better? I’m looking forward to a great times ahead then. 

Friday, August 31, 2018

Among Hotel people

Sieben fünfundvierzig, heut bin ich spät dran. Meine Lieblings-Kellnerin ist da, meine Lieblingsköchin leider nicht. Ich probier das Omlett trotzdem. Meinen Tee krieg ich ja schon geliefert, den trinke ich während ich warte. Diesmal nehm ich mir zwei Stück Obst mit, gestern hatte ich nachmittags während der Arbeit so Hunger, dass ich mir eine Semmel kaufen musste. 
Einsam ist es. Es ist Sommerzeit, die meisten haben Urlaub. Von meinen Kollegen ist nur einer da, und der ist auch noch nicht da. Vermutlich schläft er noch, oder er singt in der Dusche. No Woman no cry singt er gern, die zehn Minuten Version. Das macht ihm außerordentliche Freude. Voller Schwung und Begeisterung erzählt er, dass er so laut singt, dass es sicher das ganze Hotel hört! 
Aber das tut es garnicht. Das Hotel ist total geräuscharm. Nix hört man! Außer in den Zimmern die mit 30 enden, da hört man die Klimaanlage, die hört man dafür immer. 
Die anderen beiden Stühle an unserem Tisch werden noch länger leer bleiben. Der eine Kollege kommt erst nächste Woche, der andere - warte mal, wann kommt der wieder? Nicht heute? Oh wäre das nett. Der eine hatte glaub ich sowas gesagt. 

Aber er war dann doch nicht beim Frühstück. 

Inzwischen ist drei Tage später. Der eine kam zum Frühstück, ich hörte auf zu schreiben, ratschte, ging zur Arbeit, focht meine Kämpfe, ratschte, ging essen, ratschte, schlief, ging zum Frühstück - und da waren sie schon alle da diesmal, keine Zeit für Blog, Wiedersehensfreude. Ich wurde einfach überspült. 
Bildlich gesprochen. Wie wenn du auf dem Weg zum Strand bist. Sitzt in der Bahn in dein Wickelkleid, stehst, kannst es nicht erwarten, routierst in Gedanken. Da kannst du noch schreiben. Aber das alles bricht ab wenn du da bist. Tür auf, raus, Wickelkleid aufwickeln im Gehen, Zehensandalen loswerden, Tasche wird fallengelassen, das Kleid hinterher - alles noch im gehen - und schon bist du nass. Du kommst drei Tage später raus voller Eindrücke und merkst, dass deine Zehen und deine Nase halb abgefroren sind. Trotzdem sehnst du dich schon in dem Moment wieder nach dem Ozean. 

Ich fange an zu schreiben wenn ich gehe. Es ist die letzte reguläre Woche. Eine Abschiedswoche bleibt noch, sonst wars das. Keine Frühstückstradition mehr, kein Abendessen mit galanten Briten. Oh nein, nichts verruchtes. Alles Familienväter, die die wilden Wellen des Alltags jovial betrachten und Steuerhilfe geben. Aufrecht stehen sie im Wind und halten das Steuer. Schön war es. Am Ende. Am Anfang war alles so furchtbar, dass selbst junge Charmeure nicht geholfen hätten. Einer hatte sich da versteckt, der hat schon Eindruck geschunden. Den hab ich aber erst gesehen, als ich aus meinem Loch rauswar. Am Montag. Vorher - kein dran denken. Zerrissen wurde ich, zwischen drei Stellen, derjenige der das organisieren sollte, trat zu als ich am Boden lag, und derjenige, der sich vor mich stellen sollte, schwieg. 

Nein. Einfach nicht. Nicht weiter, nicht länger, aus, was anderes, das hier ist nicht alles, es gibt noch Meer. 

Wellen, Meer, Ozean, in dem du versinken und verschwinden kannst, in der kühlen, warmen Frische voller Fische. Gutes Meer. Mehr Meer. 

Das Omlette war leider nicht so gut wie das von meiner Lieblings-Köchin. Auch der Tee nicht, wobei die Kellnerin dafür nichts kann. Der beste Tee bleibt der, den ich daheim trink, zum Geburtstagsfrühstück. Ein wunderschöner Blumenstrauß steht vor mir, das schöne Geschirr, das Überraschungspaket meiner Cousine. Wenn ich jetzt noch nicht allein wäre ...


Monday, June 18, 2018

Mundgeruch

Irgendwo um mich herum hat jemand richtig heftigen Mundgeruch, bissiger Geruch der tief aus dem Magen kommt und krank riecht. Es ist eine Fahne, ein Signal. In seinem Magen wächst Krankheit, es gärt und brodelt und kann nicht heraus, frisst sich immer tiefer in den Leib, in die Eingeweide. Die Fahne ist klar und deutlich erkennbar. Alles außer sichtbar ist sie, für ihn, für die um ihn herum. Sie sagt: hallo, hier ist einer, der vor sich hinkränkelt. Er kümmert sich nicht um sich selbst. Hier, ich bin Krankheit, hier brodle ich. Es ist der Mann neben mir. Höflich wollte ich sein und so tun als wüsste ich nicht genau woher sie kommt, aber die Fahne ist nicht zu ignorieren.
Soll ich ihm sagen: geh zum Arzt. Dein Körper spricht, er warnt! Gib Ruhe, lass dich untersuchen. Mach eine Kur. Schlafe viel. Iss weniger, aber besser. Geh spazieren. Setze dich auf eine Bank und schaue auf den Horizont. Lass deinem Körper Zeit, sich zu erholen. Mach ihm währenddessen nicht noch mehr Arbeit mit schlechtem Essen, Giften wie Alkohol und Zigaretten, und Stress. Oh dieser Stress. Wann kippt Beschäftigung und Bewegung in Stress? Bei der 150sten Fahrt von München nach Frankfurt? Der 200sten? Dem 745 Konferenz-Call um acht Uhr in der Früh? Wann kippt es? Wann bricht der Körper und sagt: bisher hat es mir Spaß gemacht, ab heute läuft es schief. Bis hierher hat es mir Energie gegeben, mich motiviert, mehr Kraft aufgebaut als es gekostet hat, aber heute schlägt es um. Ab heute zehrst du von dem, was du aufgebaut hast in den Jahren. Und was war das? Feines Obst und Gemüse mit vielen Vitaminen, Haferflockenfrühstück, Sonnenstrahlen, Spaziergänge, frische Waldluft oder Meeresbrisen? Oder war es doch künstlicher Zucker? Säure in Kaffeeform? Fettreiche Kondensmilch, die ein Jahr haltbar ist? Was ist denn ein Jahr haltbar, was aus der Natur entnommen wurde? Das ist nicht normal, nein. Du musst erst das lebensnahe entfernen, damit es haltbar ist, das lebensnahe ist das, was sich weiter entwickelt und weiter wächst. Wenn du es entfernst, macht es dich auch ein Jahr später nicht mehr krank. Wie Kondensmilch. Oder Milchpulver das für Kaffeevollautomaten genutzt wird. Auch Zucker macht haltbar, tötet das lebensnahe. Zucker macht alles besser, wenn man nicht kochen kann, dann besonders. Und das passt gut zu fettigem Schweinefleisch, in Soße. Und das gute Bier. Da kommt dann der Alkohol dazu, ja, das Gift das wir alle so lieben.
Wir wissen beide, du und ich, wir Nachbarn im Zug, wir wissen beide, dass es vor allem Letzteres war, was du dir zugefügt hast, nicht feine gesunde Nahrung und Bewegung, sondern vor allem Fett, Zucker, Säure, Gift. Davon zehrst du jetzt. Dein Körper kann nicht mehr, geht an seine Reserven, und siehe, die Reserven sind schlecht. Beim verarbeiten stößt es übel auf. Den schlechten Geschmack hast du im Mund, und ich in der Nase. Es ist so offensichtlich, dass du krank bist. Aber noch nicht so schlimm, dass du dich nicht mehr bewegen kannst. Nich kannst du rennen und es ignorieren.
Du steigst also aus, und hastest weiter. Früher hat es auch funktioniert. Es wird noch ein Weilchen so weiter gehen. Morgen dann, morgen gönnst du dir eine Pause. Aber morgen ist Konferenz mit dem Minister, da geht es nicht. Übermorgenalso. Übermorgen. Vermutlich, wenn nichts dazwischen kommt, aber auf jeden Fall bald. Was ist denn ein Tag oder der andere, du machst es ja bald, das ist doch, was zählt. Jetzt erstmal los.
Du steigst aus, und nimmst deine Fahne mit wohin du gehst, hinter dir her ziehst du sie mit dem üblem Geruch der dich verfolgt wie eine Giftwolke. 

Tuesday, March 20, 2018

Der Dackel

Sie hatten sich in Zärtlichkeit getrennt. Seine Berührungen hallten noch in ihr nach während sie zu Demo ging. Wie liebevoll er sie angeblickt hatte! Ganz weich war sie innerlich.Viel zu weich. Sauer sollte sie sein! Ihre Gruppe hatte ein Transparent gemalt, in großen roten Buchstaben stand darauf "Nicht mit uns" und ein dickes Ausrufezeichen. Demonstrieren wollten sie, Parolen skandieren, Buh-rufen! Das schien ihr jetzt ganz unmöglich. Jetzt wollte sie lieber vor dem Landtag Blumen niederlegen und singen "where have all the flowers gone“ angesichts der vielen toten Kinder, die in diesem Krieg getötet wurden, getötet - ermordet! Kinder und Eltern, sogar Babies! Sie war ganz verzweifelt und fühlte sich zum heulen.
Sein Hund Dudu lief neben ihr an der Leine. Er hatte ihn ihr mitgegeben, weil er sonst nicht rauskäme. Ganz verbunden fühlte sie sich ihm durch das Tier. So eine liebe Geste, ihr seinen geliebten Zwergpintscher mitzugeben. Damit ging nun ein Teil seiner Liebe an ihrer Seite.  Dudu war ein ältlicher Hund, aber ganz liebevoll, genauso wie er, freundlich und aufgeschlossen und so liebevoll. Ihr wurde noch wärmer ums Herz: wie er mit seinen kleinen Beinchen neben ihr her hopste, grade, dass sein Bauch nicht auf dem Boden schliff. Sie ging neben ihm, in ihrem Wildledermantel wogten ihre Brüste mit jedem Schritt hin und her, und ihre langen, stumpfbraunen Haare bereiteten sich wie ein Wasserfall über ihren Kunstpelzkragen. Sie sah aus als hätte sie jemand aus den 70ern entführt und in die Neuzeit teleportiert.
Anne kam ihr über den Platz vor dem Landtag entgegen, stürmisch, ihre Augen sprühten Funken. Sie war aufgewühlt, sie war wütend, genau die richtige Stimmung für die Demo, sie würde sich mit Schmährufen die Stimme aus dem Leib brüllen! Lea traf sie, bemerkte ihren beschwingten Schritt, sah ihren entflammten Blick - und fiel ihr in die Arme. Keine Begrüßung, kein einziges Wort, presste sie sie an sich und weinte ihr ins Ohr: "die ganzen toten Kinder!" weinte sie, "die Kinder! Es ist so furchtbar!" 
Anne zuckte zurück. Sie erstarrte in den Armen ihrer Freundin. Räusperte sich. Lea heulte weiter. Mit verzweifelten Blicken über ihre Schulter versuchte Anne die anderen zu kontaktieren. Die waren viel zu weit weg! Schließlich klopfte sie ihr ein, zweimal unbeholfen auf den Rücken: "Na na na. Nu komm mal." Sie nahm Lea bei der Hand und zog sie ein paar Schritte Richtung Gruppe, als Lea stehen blieb und in die andere Richtung zog. "Nein, warte," sagte sie und deutete an den Rand des Platzes, "ich will da ein paar Blumen pflücken." Auf einem Grünstreifen am Rande des Platzes wuchsen ein paar Gänseblümchen. "Ich komm gleich." Anne fand das alles sehr skurril, sie ging besser mit. "Was machst du denn da? Lea, geht es dir gut?" Sie wollte ihr die Hand auf die Schulter legen, sie zu sich drehen um ihr in die Augen zu schauen. Lea wäre nicht die erste Pazifistin, die abdreht, wie der Kerl mit der Schirmmütze mit dem Radio und die dicke Alte mit der Gitarre die nach Katzenpisse stank. Drogen in der Szene waren stark verbreitet. Aber Lea lief vorneweg, nuschelte verwirrt "nein nein, alles gut, nur die Gänseblümchen". Den Dackel schleifte sie hinter sich her. Er lief Anne ständig vor die Füße, zweimal musste sie stehen bleiben weil er sie sonst in die Leine eingewickelt hätte. Lea kniete sich auf den Grünstreifen und fing an mit die Blumen zu pflücken, der Hund stets dabei, offensichtlich völlig aus dem Häuschen von den Spuren vieler anderer Hunde. Wo sollten sie auch sonst hinpinkeln? Ein länglicher Streifen Grün mit zwei Bäumen drei Meter breit, acht Meter lang, umgeben von Stein, Beton und Mauern. Anne wurde etwas schlecht als sie Lea beobachtete wie sie die Gänseblümchen pflückte - mit bloßen Händen.
Lea ging das Herz über. Gänseblümchen, das war genau das richtige, keine aufwändigen Blumenkränze oder so, nein, einfach Gänseblümchen, sie waren so ehrlich und lieb und unschuldig, genauso wie die vielen Menschen die gestorben waren. Dudu war ganz nah bei ihr und schnupperte, als müsste er sich ein paar Tränen wegschnüffeln - so ein einfühlsames Tier - hach, sie fühlte sich ihm so verbunden.
Als sie etwa fünfzehn Gänseblümchen hatte, erhob sie sich und nahm die Hundeleine. "Weißt du, wir müssen Blumen niederlegen, für die Trauer," sagte sie, ein bisschen gebrochen, weil sie so bewegt war. "Es geht nicht nur um Wut, es geht um die Menschen, die toten Menschen!"
"Lea, was ist denn mit dir?" Anna konnte sich nicht beherrschen. "Wir müssen kämpfen! Glaubst du diese Schnösel da drin interessiert es wenn wir hier heulen und Blumen niederlegen?" "Aber es sind Menschen gestorben, unschuldige, und sterben immer noch! Wer weint denn sonst um sie?!" Lea war vor den Stufen des Parlaments angekommen. Etwas höher standen mehrerere Bundesgrenzschützler in schwarzer Kampfmontur und blickten steinern. Lea kniete nieder  und legte ihre Blümchen auf die zweite Stufe, alle einzeln, sauber aufgereiht nebeneinander. Die Polizisten beäugten sie. Der eine ging schon einen Schritt auf Lea zu. Das würde Anne nicht zulassen, Lea war vielleicht daneben aber das war ja kein Grund! "He, nu mal langsam," rief sie dem Politzisten zu, "dat sind ja hier keine Nuklearwaffen, dat sin nur een paar Blümchen." "Ja, wir legen Blumen für die Toten, zum Gedenken," rief jetzt auch Lea, ganz beschwingt, dass ihre Freundin sie so solidarisch unterstützte. 
Der Hund verstand das völlig falsch. Lea hatte die Leine niedergelegt als sie die Blumen verteilte. Jetzt sprang er, seiner neuen Freiheit gewahr, auf den Polizisten zu als wäre er ein Würstchen. Das Gesicht des Polizisten verfinsterte sich. "He, Lea, pass ma auf dein Vieh auf,“ rief Anna und trat schnell auf die Leine, "sonst wird der da oben noch - " Aber sie brachte den Satz nicht fertig. Der Dackel war von der Leine zurückgerissen worden. Er stolperte, fiel zur Seite auf die Treppenkannte und rollte zwei Stufen herunter. Dort blieb er liegen. "Naaiiin!!" heulte Lea auf! Wie ein Boje klang sie, "Naiinnn!!!" Jetzt schossen ihr Tränen in die Augen. Mit schriller Stimme rief sie "Was hast du getan?!" und warf sich auf Anna. Mit beiden Fäusten trommelte sie auf Annas Brust ein, und stieß spitze, gellende Schreie aus. "Der Dudu!" schrie sie, "der arme Dudu!" Anna versuchte auf Abstand zu gehen.  "Ja, schau doch" sie versuchte sich zu wehren ohne der armen verwirrten Lea weh zu tun, "dem geht es doch schon wieder gut." Aber Lea hörte nicht, sondern jaulte und trommelte nur weiter. Der blöde Köter machte derweil mit und kläffte im gleichen Rhythmus ihre Wade an.
"He" sagte jetzt der Polizist. Nichts passierte. "HE!" sagte er nochmal mit Nachdruck. Aber gegen die beiden Tölen kam er nicht an. Er ging eine Treppenstufe runter. Die Frau trommelte immer noch auf ihre Freundin ein, und der Hund kläffte dazu. Noch eine Treppenstufe. Sie merkten es garnicht.
Schließlich nickte er seinem Kollegen zu. Beide gingen hinab und stellten sich zwischen die Streitenden. Die erste ließ sich ganz leicht abführen. Der Polizist nahm sie leicht am Arm und begleitete sie Richtung Kundgebung, da ging sie schon allein ohne weitere Aufregung, warf nur noch ein paar skeptische Blicke über die Schulter, bevor sie sich wieder zu ihrer Gruppe trollte.
Die andere, die Heulboje, war etwas schwieriger. Sie hörte einfach nicht auf zu heulen. Der Polizist stellte sich vor sie und legte ihr die Hände auf die Schultern. Dann sagte er laut und deutlich: "Sooo, jetzt beruhigen Sie sich wieder mal, ihrem Hund geht es guuut, es ist alles in Ooordnung, ihre Freundin hat ihm nicht wereh getan, sie wollte sie nur beschützen, sie ist eine guuute Freundin." 
Das mit dem Vokale dehnen hatte er in der Polizeischule gelernt. Jetzt fühlte er sich sehr klug. Die Heulboje beruhigte sich auch glatt während er sprach. Sie heulte noch einmal auf, ein zweites mal und ein letztes, drittes Mal. Ihre Fäuste hatten anfangs noch in der Luft herumgefuchtelt, einen Polizisten schlagen wollte sie aber dann doch nicht. Nach und nach wurden sie langsamer und schließlich ließ sie die Hände sinken. Ein bisschen schniefte sie noch, dann konnte der Beamte sie anblicken. Klare blaue Augen hatte sie. Eigentlich ganz hübsch. Er lächelte aufmunternd, klopfte ihr nochmal leicht auf Schulter. " Na, geht doch schon wieder. Und hier," er bückte sich, "ist auch die Leine von ihrem Hund wieder." Er drückte ihr das Endstück in die Hand.

Der Hund saß auf seinem Hintern und wedelte mit dem Schwanz die ganzen Gänseblümchen von den Stufen. "Ja" sagte Lea, und tätschelte ihn am Kopf. Dann drehte sie sich um und ging.

Friday, August 4, 2017

Regen_Ende


Naaa gut, scheinbar funktioniert dieser Blog wie ein Wunsch ans Universum. 
Ich hab die Waschmaschine repariert. Also, das schreib ich jetzt schon an den Anfang, weil ich das ziemlich cool finde. Ich hab selber meine Waschmaschine wieder zum Laufen gebracht. War der Techniker da, hat gesagt es liegt am Wasserhahn, dann bin ich in den Baumarkt, hab einen Wasserhahn gekauft und Teflonband, den alten hab ich abgeschraubt, den neuen teflonisiert und eingeschraubt und hepp, Wasser an und jetzt läuft die Sache. 
Die Versicherung meiner Firma hat außerdem den gesamten Schaden zurück gezahlt, vom gestohlenen Rucksack. Alles. Angegeben hab ich nur die großen Sachen mit Belegen, Brille, Telefon, Laptop, Bargeld. Der Rest waren Schätzwerte, 50 für Schuhe, 50 für Wäsche, 120 für Papiere und Schlüssel. Aber die haben sie auch übernommen. Die Papiere wären mehr gewesen, schon Führerschein, Reisepass und Ausweis sind 140. 
Und mein Milchzahn kann ersetzt werden, mit Implantat. Der, der mir rausfiel, beim Burgeressen übrigens. Fragte mich der Kieferchirurg, wer den gezogen hätte, den Milchzahn. Sagte ich: "Ein Burger" Schaute er mich ganz lieb an: "Ein Burger, na so." Auf jeden Fall implantiert er mir einen Ersatzahn. Ganz einfach. Halbe Stunde bohren, fertig. 
Da hatte der besonders einfühlsame Augsburger Zahnarzt noch gesagt, mein Knochen wäre zu dünn. Man müsse erst Knochen woanders absägen und dann auf die Stelle, wo der Milchzahn war, draufschrauben, dann wieder warten wegen Abheilen, dann Loch bohren, dann warten, dann Fassung einschrauben, dann Stift, dann Zahnkrone drauf. Und natürlich zahlen, alle sehr als 3000 Euro, dafür dass mir jemand das antut, was gemeinhin als Völkerrechtsverbrechen angesehen wird. War ich aber jetzt einmal beim Professor Doktor Doktor (Nolte heißt der, is beim Klinikum Großhadern, ja, das ist eine direkte Empfehlung) und der ganz glücklich: Milchzahn verloren, Eckzahn Nichtanlage (heißt garnie da gewesen), das ist ihm das Liebste, das geht ganz schnell. Direkt gefreut hat er sich mir in den Schädel bohren zu dürfen. 
Also, Wunsch ans Universum. Kaum schreib ich meine Sorgen ins Internet, schon dröselt sich alles auf. Alles gut sobald man es rausschreibt. Wobei, muss schon sagen, bissi kompliziert ist das schon mit dem aufräumen nach dem ganzen Juni-Tohuwabohu. Mal eine ganz ernst gemeinte Empfehlung: Wenn ihr euch was Klauen lasst, macht das nicht direkt vor nem Umzug. Das ist schon extra kompliziert alles. Weil, dann hat das Amt in eurer neuen Stadt nämlich die Daten von euren Ausweisen und Papieren nicht. Theoretisch müsst ihr dann in der alten Stadt alles beantragen. Wirklich, kein Scheiß! Das war ganz schön knapp bei mir, mit dem Ausweis ging das nur, weil die Ämter die alten Daten noch im Computer hatten. Sonst hätte ich zu ämteröffnungszeit nach Augsburg müssen, da neu beantragen, dann nochmal zu Ämteröffnubgszeit abholen, und dann nochmal, zu Ämteröffnungszeit in München ummelden. Muha, das sind drei Tage frei. 
Ich, Glück gehabt: musste halt dann erst zum KVR wegen Ausweis und Ummeldung nach München. Erst nach der Ummeldung konnte ich den Führerschein beantragen, weil Führerschein kannste nur beantragen in der Stadt in der du gemeldet bist. Und Ummeldung geht halt nur mit Ausweis. Aber Gott sei Dank konnte der Mitarbeiter vom KVR da halt irgendwie zaubern. Hat mich erst umgemeldet mit den alten Daten, zurück nach München in die neue Wohnung, und dann hat er gesagt, diese Münchner Bürgerin braucht nun einen neuen Ausweis. Und Reisepass. Toller KVR-Zauberer war das. 
Nur das mit den  Fahrzeugpapieren, leck mich am ... also, das geht nur wenn du vom alten Amt, also bei mir Augsburg, eine Unbedenklichkeitserklärung bekommst. Kein Zauber möglich. Das Amt in Augsburg muss dem Amt in München ein Papier schicken dass das Auto bei denen gemeldet ist. Is aus folgendem Grund wieder nachvollziehbar, weil nämlich: da steht ein Schlüssel drauf, eine Nummer, mit dem die Münchner die Daten vom Augsburger Amt holen können. Der steht auf dem Fahrzeugbrief wohl nicht drauf. Ne, dann kannst du das plötzlich alles verstehen. Aber, Alter, so ein Aufwand. Und die TÜV-Bescheide brauchst du, selbstverfreilich. Und den Brief! Also, das hab ich noch nicht wieder, den Fahrzeugschein. Weil sich in Augsburg im Amt nur einer damit auskannte, der war erst in einer Besprechung und dann essen. Muss ich nochmal zum Amt. Jetzt war ich einmal einen Arbeitstag beim KVR, und einen bei der Führerscheinstelle. Der Führerschein wird Gott sei dank zugeschickt. Dafür hab ich inzwischen eine Bescheinigung, die mich entbindet von der Pflicht eine Fahrerlaubnis mitzuführen. Heißt, ich muss keinen Führerschein dabei haben wenn ich Auto fahre. Ein internationaler Führerschein, den ich auch habe, gilt nicht. Der ist nur gültig mit Führerschein. Ist eine Übersetzung des deutschen Führerscheines. 
Klar soweit? 
Irgendwie bin ich ja schon in die deutsche Bürokratie verliebt. Is n bisschen pervers, aber irgendwie find ichs geil. 

Aber jetzt zu was ganz anderem.  

Ach eins hab ich noch vergessen: Internet hab ich auch und wir haben eine Steckdose gefunden, die Verbindung zur Satellitenschüssel hat. Also, jetzt müssen wir noch die anderen Satellitenstecker in der Wohnung aktivieren, weil wir habe in vier Zimmern vier Stecker, aber nur eine funktioniert, die in der Teestube. Und Badlampen brauchen wir noch und Salatbesteck. Aus irgendwelchen Gründen habe ich kein Salatbesteck. Mein ganzes Leben keines besessen. Seltsam oder? Also vor allem deshalb, weil ich eine Schaumkelle und eine Fleischgabel hab, und eine Sauciere. Da sollte das Salatbesteck doch vorher kommen, meint man. Aber nee. Das Holzregal im Keller muss auch noch repariert werden und ins Schlafzimmer, dann muss der wunderschöne Lampenschirm aus Pappelholz, den ich in Litauen bestellt hab, auch ins Schlafzimmer und dann ist das Schlafzimmer fertig. Und meine Mutter braucht eine neue Matrazen und Neid Bettzeug. Das gönnen wir der Armen alten kranken Frau. 
Also, ihr seht schon, jetzt kommen die Kinkerlitzchen, aber wir sind meilenweit weiter als vorher. Puh. 

Trotzdem wollte ich noch was anderes schreiben. Jetzt fängt dieser Blog quasi an:

Es geht um eine befreundete Familie, die ein Haus mit vier Wohnungen von der Oma vererbt bekommen hat, in der Gegend von München. Die Oma hatte Sohn und Tochter und das Haus geht direkt an deren fünf Kinder über. Und die streiten sich jetzt. Also die Geschwister der Kinder sind sich unter sich einig, aber mit ihren Neffen und Nichten nicht. Auszahlen kann keiner den anderen, weil natürlich Nähe München. Jetzt denkt ihr, vier Wohnungen fünf Nachfahren, geht rechnerisch nicht. Aber das wäre es garnicht. Zwei von denen sind garnicht in der Rechnung. Einer aus tragischen Gründen, wollen wir nicht drüber reden, aber auch junge Leute können so krank werden dass man weiß: das geht nimmer lang. Nein, nicht Aids, das andere. Na, dann noch einer, der ist oben an der Nordsee, glücklich, alles gut. Wieder andere ist in Thailand und will zurück nach Hause. Geil, Wohnung da. Noch andere will größere Wohnung weil Familie geplant (derzeit 60qm gemietet, hm). Geil: Wohnung da. Dann noch zwei Wohnungen über. Voll die Möglichkeiten! Vermieten, Erbengemeinschaft, peaux au peaux die anderen auszahlen. Doch ne gute Sache, ne? Aber wollen die nicht. Wollen nicht zusammen in einem Wohnhaus wohnen. Weil: "Da wäre Streit absehbar"

Und das treibt mich jetzt um: 
was ist denn das für ne kurzsichtige Planung? Is das so in der Welt, Streit, Ende der Geschichte? Wenn das so wäre wäre kein Deutscher jemals nach Italien gekommen! Weil: Alpen, Ende. Dabei ja in Wahrheit: Alpen, dahinter geil. Und manche bleiben direkt in den Alpen, weil Alpen selber schon geil. Aber die so: Streit am Horizont, aus. So ein Unfug. Streit ist doch nicht das Ende der Geschichte. Kommt Streit, kommt Versöhnung. Kommt wieder Streit. Kommt wieder Versöhnung. Normal! 

Das passt jetzt auch doch wieder zu meinem letzten Blog, dem Wutblog. Ist auch nicht ewig. Nur, ehrlich mal: die Entscheidung, auch mal nen Wutblog zu schreiben ermöglicht überhaupt erst diesem Blog. Weil, vorher immer so: jetzt müsste ich nen Wutblog schreiben (weil ich wütend bin!) aber Wut nicht genehm, nicht erlaubt, drum: kein Blog. 

Das ergibt doch alles keinen Sinn. 

Dann müsste man ja auch immer dem Regen davonreisen, immer wenn Regen aufzieht, weiter reisen, weil Regen wie Streit, wie Berg, unangenehm, Ende der Geschichte. Ende des Blog. Dabei sitzen wir hier in Italien in der Nähe von Rom bei 40 Grad im Schatten und Dürre seit drei Monaten. Das ist garnicht gut. Denk mal an die tollen italienischsten Tomaten, jeder Biss ein Mund voller Aroma, fest und sonnenverwöhnt, ein Genuss! Die Zucchini, die Erdbeeren, die Melonen. Alles verdorrt. Weil kein Regen. Wie die Menschen. Was für tolle Dinge Menschen erreichen wenn sie zusammenarbeiten, nicht die Flinte ins Korn werfen beim ersten Streit, sondern durchziehen, sehen was die anderen sehen, daran wachsen, sich weiter entwickeln, lernen, Neues schaffen. 

Es kommt alles zurück zu Hegel und seiner Dialektik. Hundert Menschen können nicht fliegen, aber wenn sie sich zusammentun und gemeinsam ein Flugzeug bauen können tausend Menschen damit fliegen. Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile. 


Hier, auf dieser Terrasse unter den Pinien mit den schreienden Zikaden, verschwitzt vom Sitzen und Tippen kann ich nur sagen: ich wünsche mir Regen. Ende. 

Tuesday, July 11, 2017

Juni des Vergessens

Der Juni ist der Monat des Vergessens. Also, irgendwie auch nicht, weil bei dem ganzen Scheiß der passiert ist, auch eine so unendlich großartige Veränderung passiert ist, dass der Juni auf keinen Fall vergessen werden darfsollwird. Aber man soll nicht gleich, wenn man etwas geschrieben oder gesagt hat, alles wieder relativieren drum bleiben wir beim Vergessen und gehen vielleicht am Ende nochmal auf das Andere ein. Eines muss ich aber relativieren, weil, es hat garnicht im Juni angefangen sondern im Mai. Jetzt haben wir es aber dann auch.
Dann kann ich zum Ausgangspunkt zurückkommen, das ist nämlich der, dass ich mich unsäglich aufrege!
Ich rege mich tatsächlich unsäglich auf, UN-SÄG-LICH! wenn mir jemand vorwirft, dass ich mich seit zwei Monaten nicht gemeldet habe. Alter! Zwei Wochen hab ich mich nicht gemeldet, zwei Wochen, und dann kam die Woge! Und ja, die hab ich jetzt sechs Wochen verkraften müssen, aber Alter was war das auch für ne Woge?! Hätte ich denn bitte mittendrin ne Rundmail schreiben sollen? So a la: entschuldige, ich melde mich um zu sagen, dass ich Stress hab und mich nicht melden kann? Argl, wie ich mich aufrege.
Also was hab ich die sechs Wochen gemacht die ich böses Kind mich nicht gemeldet habe?
Als allererstes habe ich mich beklauen lassen. So richtig komplett. Stand in Barcelona mit nichts außer meiner Kleidung, meinem Firmenausweis und zwei Haarnadeln. Die beiden Telefone, der Laptop, der Geldbeutel, die 300 Euro, die Brille, die flachen Schuhe, das Geschenk meiner Schwester, das Make-up, ja auch die dreckige Unterhose, alles weg! Das hatte ich alles nach Barcelona gebracht, und zurück brachte ich neben den genannten Gegenständen noch eine Anzeige und einen Ausdruck meines Reisepasses. Ja, ne? Ich könnte ja länger erzählen, aber es ist noch so viel anderes passiert dass wir weiter machen müssen, sonst werden wir nie fertig!
Das alles ist nämlich, zu allem Überfluss, nicht einfach nur so passiert, sondern einen Tag vor der Wohnungsübergabe der neuen Wohnung! Voll gut, da stehst du dann ohne Zugang zu deinen Mails und ohne Terminkalender, kannst den genauen Termin nicht nachschauen, kannst aber auch nicht anrufen weil du die Nummer nicht hast. Yeah! Hast auch kein Notizbuch, nur einen Zettel auf dem die wichtigsten Telefonnummern stehen. Arbeiten musst du natürlich außerdem, drum hast du auch keine Zeit zum Sachen besorgen. Und ach, ganz mette Überraschung: bei Wohnungsübergabe erscheinst du mit einer dicken fetten Zahnlücke da wo dein oberer rechter Eckzahn hingehört, weil, man beachte das Timing, am Tag vor der Übergabe aber nach Überfall dein Milchzahn, der da vorher war, sich nach31 Jahren entscheidet, in einem Burger hängen zu bleiben.
Also hast du jetzt Wertgegenstände für knapp 3500 Euro verloren und einen Milchzahn. Du bist, Gebisstechnisch, gleichauf mit deiner Nichte, die allerdings Sieben ist. Da passt so eine Zahnlücke wegen Milchzahnverlust erheblich besser. Du bist auch was Ausstattung angeht ziemlich nahe bei deiner Nichte, die hat auch keinen Laptop und kein IPhone, geschweige denn zwei. Allerdings ist die näher bei deiner Schwester, was schon sehr beruhigend ist und auch für dich gewesen wäre, aber die ist halt auf der anderen Seite des Ozeans, genauso wie deine Nichte. Aber das nur am Rande. Am Rande der Erzählung, nicht am Rande des Ozeans.

Je nun, wo waren wir? Ende Mai waren wir, richtig. Einen Milchzahn und einmal komplettes  Reisegepäck sind wir losgeworden, eine Wohnung haben wir auf der Habenseite zu verzeichnen. Soweit, damit könnte man noch klarkommen. Wobei, ne, Verlust heißt immer auch Ersatz beschaffen, und aAter, Verlust geht mega schnell aber Ersatz beschaffen! Zahnarzt 2 Stunden, KVR 4, Bank Besuch zu Öffnungszeiten, nochmal Zahnarzt zum Klemmzahn abholen (ich hab jetzt einen Plastikzahn für die Lücke, zumindest in der Zwischenzeit) , Kieferorthopädentermin ausmachen, ach, und Umzug vorbereiten. Heißt Kisten packen. Total das worauf du Lust hast wennste grad alles losgeworden bist. Der Umzug aber war Mitte Juni geplant, drum herum kam ich also nicht. Hab ich nicht was vergessen? Ach ja, die Inspektion für mein Auto, richtig. Scheints ist alles kaputt, oder zumindest ziemlich viel, und die Reparatur kostet etwa 1200 Euro. Oder 1500. Wann Inspektion war? Gut, dass du fragst, drei Tage nach dem Diebstahl. Nach der Übergabe. Oder auch zwei Tage nach dem Milchzahn.
Und da fragen die noch warum ich mich nicht gemeldet habe??!
Man muss sagen, dass ich die Inspektion um eine Woche verschoben habe weil mir das alles zu hart war. Das hab ich dann am gleichen Tag gemacht wie das Ämterrennen und den Zahn abholen. Ich bin an dem Tag natürlich auch nur zu einem Amt gekommen, zum KVR. Zur Führerscheinstelle muss ich nochmal extra, und zur Ausstellung eines neuen Fahrzeugscheins.
Aber es ging ja weiter. Jetzt haben wir es aber auch langsam. Bis Mitte Juni war ich dann also mit Ämtergang und Umzugsvorbereitung gut beschäftigt, arbeiten musste ich auch noch und dann auch noch für das neue Projekt, ja? Das hatte Anfang Juni angefangen, hatte ich das schon erwähnt? Nein? Ach so. Na, auf jeden Fall war das auch noch. Mitte Juni war dann der Umzug. Und seither geht die Waschmaschine nicht mehr. Das ist so ein Kinkerlitzchen, dass es echt nicht ins Gewicht fällt irgendwie, aber seither lauf ich halt zum Waschsalon. Offline bin ich auch, weil ich meinen alten Internetvertrag nicht umziehen kann und der neue noch nicht hinhaut wegen Termin und allem. Auf der anderen Seite macht das nix, weil ich ja kein internetfähiges Handy hatte über lange Strecken. Ich hatte ein Ersatz-Blackberry leihweise, bei dem ging aber Telegram nicht. Meine andere Firma hatte sich erst zwei Wochen geweigert mir Ersatz zu beschaffen für mein Arbeitshandy. Dann fanden sie raus, dass das Problem die SIM-Karte war und dass da eh schon Ersatz da war. Die haben sie mir dann geschickt. Dann hatte ich aber noch kein Handy. Ein Ersatzhandy haben sie mir die Woche drauf geschickt. Allerdings habe ich das, weil ich ja gerade umgezogen war, erstmal an die Arbeitsadresse geschickt. Leider gibt es aber eine automatische Umleitung für Post, die zur Arbeit geschickt wird, an die Poststelle, und die ist in Unterföhring, während ich im Münchner Süden sitze. Natürlich war die Lieferung auf Mittwoch vor einem Feiertag geplant, am Freitag war ich nicht da, und so bekam ich das Handy erst am Montag. Machte aber eh nix, weil: ich hatte bis dahin die PIN verloren. Es war das Umzugswochenende, und die PIN wurde mir in meine vorübergehende Unterkunft geschickt, mit einem ähnlichen Brief den ich bekommen hatte wegen dem Internet, dass ich in meiner neuen Wohnung nicht nutzen konnte. Rat mal welchen Brief ich wutentbrannt weggeworfen habe? Richtig, den falschen. Ich habe dann eine Woche lustige PINs ausprobiert (ich hatte mir den PIN-Brief ja angesehen und hoffte auf mein Unterbewußtsein), bevor ich kleinlaut zum Shop ging und was fand ich da heraus? Der hat mir einfach eine neue gegeben. Keine Ahnung wie, aber ich durfte mir die sogar aussuchen. Voll gut. Aber wie gesagt hat es sehr lange gedauert bis ich dann wieder ein Arbeitshandy hatte.
Es ist so nervig. Immerhin hat die Dienstreise nach Paris geklappt, naja, auch nur eingeschränkt weil ich falsch gebucht habe und dann mitten in der Nacht vor der Abreise nochmal alles umbuchen musste. Ich hatte, weil ich auf einer amerikanischen Seite gebucht hatte, bei denen die Wochen gerne mit Sonntag anfangen, nicht von Montag bis Mittwoch gebucht, sondern von Sonntag bis Dienstag, weil ich, als ich alles fertig hatte und kurz vorm buchen war, unterbrochen wurde. Als ich wieder dazu kam, musste ich natürlich von vorne anfangen und habe einfach blöd geklickt, mir aber das Datum nicht angeschaut. Fataler Fehler! 200 Euro teurer Fehler! Drum hab ich von Dienstag auf Mittwoch dann auch bei AirB'nB genächtigt in Paris, weil alles andere 200 Euro pro Nacht gekostet hätte. Mein Fehler fiel mir übrigens Sonntag Nacht auf. War n bisschen stressig dann noch mit Hinfahrt buchen. Dafür war ich auch an einem Tag auf dem Eiffelturm mit der Kollegin und hab nicht gearbeitet und auch sonst nichts Wertschöpfendes getan, haha, und kein schlechtes Gewissen hab ich deswegen!
Das wars eigentlich an Dingen die passiert sind und mich beschäftigt haben. Die Dienstreise war vorletzte Woche. Hätte ich mich letzte Woche schon melden können. Ich verantwortungsloses Kind, keine Ahnung wie es soweit hat kommen können, da wäre ich auch sauer auf mich wenn ich RentnerIn wäre und nichts zu tun hätte.







Thursday, May 5, 2016

Allohm




Er ist ein Riese - ein riesiger Riese. Also, tatsächlich ist er ein Mensch ganz entgegen der weitläufigen Fachmeinung, die ihn schon für einen Gott hält. Nur zwei Meter zwanzig groß. Er geht mit weit aufgerissenen Augen durch sein spartanisch eingerichtetes Haus und spricht den ganzen Tag kein Wort. Er ist ein Window-Viewer. Die Firma Kotzebue hatte ihn vor Jahren angestellt. Sie stellt Katzenstreu her. Herr Orzechowski nun hat die alleinige Aufgabe, grandiose neue Erfindungen zu erdenken, die dem Katzenkotkonzern Millionen bringen.
Er spricht nur wenn ihm etwas Gutes einfällt, das sich zu produzieren lohnt, das völlig neu ist und funktioniert. 99 Prozent der Zeit ist er also völlig stumm. Tag und Nacht, Woche um Woche. Wenn er dann aber etwas sagt, ist es bahnbrechend. Was er schon alles erfunden hat. Katzenstreu-Klumpenbildung zum Beispiel. Stammt von ihm.
Weil Herr Orzechowski ungelenkt erdenkt, ist die Firma bald dazu übergegangen, seine Fremdideen teuer zu verkaufen. Papier an dem man sich nicht schneidet hat er erfunden, Knubbel an Folienstiften, damit sie nicht vom Tisch kullern. Und so profitiert ein immer größer werdendes Netzwerk von Firmen von Herrn Orzechowski. Eine Firma hat vor lauter Übermut ihre eigene Kreativabteilung komplett eingestellt, nachdem ein ferngesteuertes Fahrradschloss ihnen kurzzeitig die Marktführerschaft verschaffte. Ein großer Fehler. Nie mehr danach erfand Orzechowski im Fahrradbereich. Stattdessen erfand er krümelfreies Knäckebrot.
Sein Haus ist fast leer. Nur sechs Möbelstücke stehen darin. Ein Bett, ein Schrank, eine Küchenzeile, ein Sessel, ein Küchenstuhl und ein kleines rundes Tischchen mit türkisenen Mosaiksteinchen. Dafür sind überall Fenster. Aus denen blickt er hinaus, mit weit aufgerissenen Augen. Er starrt geradezu, als ob da draußen gerade ein Meteor einschlüge. Tut er aber nicht. Orzechowski starrt trotzdem. Und sagt kein Wort. Häufig sitzt er im Sessel. Oder er steht. Nachts schläft er und manchmal geht er spazieren. Alles völlig stumm.
Er hat eine Helferin und eine Putzfrau. Die Putzfrau sagt auch kein Wort, spezielle Anweisung von Kotzebue. Die Helferin dagegen sagt sehr viel, auch eine Anweisung von der Firma. Sie soll ihn so zum Reden zu animieren. Also spricht sie von Marktanteilen und Trends. Häufig liest sie ihm aber nur aus Klatschkolummnen vor.
Eine zierliche, blonde Person mit Kurzhaarschnitt ist sie, die Frau Allohm. Ihre Stimme ist hoch und fiepsig. Herr Orzechowski hatte sie gewählt durch einen Fingerzeig im Bewerbungscenter, wo zwanzig junge Herren und Damen aufgereit nebeneinander standen. Er hatte ihre Stimme vorher nicht gehört. Vielleicht ein Fehler. Aber er beschwert sich nicht.
Ab und an kommt ein Vertreter von Kotzebue vorbei, der ununterbrochen redet. Er drängt auf den Erfinder ein, bestürmt ihn. „Die Absätze gehen zurück,“ sagt er. Er wedelt mit den Händen. „Wir brauchen neue Produkte! Die Marktposition der Firma!“ Orzechowski steht am Fenster, eine Tasse in der Hand. Er dreht dem Vertreter den Rücken zu und starrt mit weit aufgerissenen Augen in die graue Ödnis draußen. Der Vertreter fasst ihn am Arm, stellt sich auf die Zehenspitzen, reckt sich dem Riesen entgegen. Orzechowski reagiert nicht, wirklich gar nicht, er zuckt nicht, dreht sich nicht um, nicht mal blinzeln tut er. Um die ganze Szene schwirrt Frau Allohm wie ein Kolibri. Sie ist hilflos, will den Vertreter abbringen. „Das bringt nichts, er redet nie,“ piepst sie, „nie sagt er etwas!“
Dann führt sie den Gast unverrichteter Dinge hinaus, reicht ihm ein Glas Wasser, redet, beruhigt, verabschiedet. Eigentlich ist sie völlig überflüssig.
Sie muss keinen Papierkram erledigen, weil keiner anfällt. Sie muss nicht kochen, weil er nur Brot isst. Sie muss nicht mal aufschreiben, was er sagt, weil das ganze Haus verwanzt ist. Frau Allohm hat nur eine Aufgabe, aber die ist so außerordentlich, dass sie 24 Stunden anwesend sein muss. Aufpassen, dass Orzechowski lebt.
Kotzebue zahlt ein horrendes Gehalt für den schweigsamen Riesen. Da wäre einmal der monatliche Lohn – wir wollen nicht über Zahlen reden, aber er war teuer, sauteuer, der Herr Orzechowski. Und dazu Erfinderanteil für jede vermarktete Idee, für jeden Knubbelstift, jedes Knäckebrot und jeden Sack verkauftes Katzenstreu. Also passt Frau Allohm auf, dass er nicht stirbt; bewusstlos auf dem Boden liegt und an seinem Erbrochenen erstickt; bei einem Feuer verbrennt. Oder vergiftet wird von einem eifersüchtigen Konkurrenten.
Das wäre beinahe einmal passiert – da bekam Herr Allohm einen Geschenkkorb mit lauter guten Sachen, Milch, Brot, Käse und einem Brotaufstrich Aubergine-Soja und Strichnyn. Er spuckte den Großteil aus, der Rest aber wanderte die Kehle hinunter. Gerettet wurde er überhaupt nur weil an dem Tag die Putzfrau kam. Seither ist Frau Allohm bei ihm.

Nun spricht er aber plötzlich noch weniger. Über ein halbes Jahr schon! Kein Wort. Kotzebue macht sich Gedanken über Orzechowskis Zukunft. Ist er eine Fehlinvestition? Abschaffen fordert die eine Hälfte der Manager, in ihren Konferenzräumen und Anzügen mit ihren Anglizismen wie auscashen und fubar, fucked up beyond repair, also total im Arsch. „Der erfindet doch eh nix mehr, der is fubar!“ sagen sie. „Behalten!“ sagt die andere Hälfte der Manager:„Es geht ums Immetsch! Der ist ein Prestigeobjekt!“ Wenn die Konkurrenz das rauskriegt, und die kriegt das raus die Konkurrenz, dass der Orzechowski weg ist, dann denken die ja: die können sich den nicht mehr leisten! Die sind pleite! Und überhaupt, wahrscheinlich brütet er gerade jetzt über was ganz besonders Tollem!
So streiten sie. Derweil wird Herr Orzechowski immer reicher, und gibt kaum etwas aus für seine spartanische Lebensweise.

Bis er dann doch spricht. Nur nicht so, wie sie es wollen, die Manager. Eines Tages kommt ein Postbote vorbei mit einem Einschreiben. Orzechowski liest es und da öffnet er den Mund! Frau Allohm erstarrt. Gleich kommt die nächste bahnbrechende Idee, die vielleicht jeder Haushalt im Land haben will! Was mag es sein? Er holt Luft, und seine Lippen formen Worte: „Ich kündige.“ Damit hat Frau Allohm nicht gerechnet. Perplex sagt sie nichts. Orzechowski auch nicht. Er packt stattdessen einen Koffer und geht. Frau Allohm wusste nicht mal, dass er einen Koffer hatte. Kurz vor der Haustür bleibt er noch einmal stehen. Frau Allohm sitzt auf einem Küchenstuhl. Orzechowski dreht sich, blickt sich im Haus um, bleibt an ihr hängen. Dieses sanfte Wesen, das vielleicht ein bisschen dumm ist, aber doch so lange dauernd bei ihm war und so schön vorgelesen hat. Nach etwa einer Minute gucken wird er ein bisschen rot, dreht sich um und geht.
Die Manager jetzt natürlich total fubar, als sie dann kommt, die Kündigung. Abgeschickt von einer Anwaltskanzlei. Alles total unantastbar. Nix kann man dagegen machen. Und der große, dünne Erfinder selbst verschwunden und keiner weiß, wohin. Aus reiner Wut schmeißen sie als allererstes Frau Allohm raus.
Was jetzt aber in dem Einschreiben stand, das haben sie doch rausbekommen, die Manager, bei einem Businessmeeting von Managern und Bankkerl. Da hat der Bankkerl dem Managerkerl dann gesagt, was in dem Brief stand. Auswendig hat er das gewusst:

„Sehr geehrter Herr Orzechowski,

Sie haben uns gebeten Sie zu benachrichtigen, sobald ihr Kontostand mehr als zehn Millionen Euro beträgt. Dies tun wir hiermit.“

Völlig unbemerkt von den Herrn Managern bleibt jedoch eine kleine Notiz in einer Klatschkolummne. Frau Allohm hätte sie ihnen vorlesen können, aber sie arbeitet jetzt irgendwo als Vorleserin im Ausland. In der Kolumne, unter Vermischtes steht, dass in Thailand ein riesengroßer Mann seit Monaten jeden Tag vor einem Hotel mit Glasfassade steht. An einem traumhaften, weißen Sandstrand steht er dort täglich von morgens früh bis abends spät und schaut das Meer an. Wenn es regnet, steht er drin und schaut hinaus. Kein Mensch weiß warum, und er sagt auch kein Wort. Sie hätten ihn dort eh nicht verstanden. Herr Orzechowski kann kein Thailändisch.