LL Aktuell

LL Aktuell
Geschichten und andere Geschichten

Wednesday, August 29, 2012

Der braucht n bißchen Leim

Gestern ist die Bombe geplatzt.

Beziehungsweise wurde sie geplatzt. Wenn eine Bombe in die Luft gesprengt wird von einem Sprengmeister, und vorher Stroh und Sandsäcke um sie rum aufgetürmt wurden, dann ist das nicht so schlimm. Da brennen nur ein paar Dachstühle ein bißchen, und die Fenster fliegen raus wegen der Druckwelle.

Die Leute, die von Ferne zugeschaut haben und ein Video gedreht haben, die haben sogar gejohlt als sie die Explosion gesehen haben.
Das find ich makaber. Man muss jetzt kein Grüner oder Pazifist sein, aber die meisten Menschen in Deutschland sind eher gegen Krieg. Für mich hat diese 250 Kilo Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg die Kriegssituation sehr gut wiederbelebt: Dicht besiedeltes Gebiet, dicht bebautes Gebiet, und eine riesige Bombe, deren Lichtkegel zehnmal größer ist als alles, was ich bisher gesehen habe. Nur diesmal wurde jeder Bewohner im Umkreis eines Kilometers evakuiert, und die Baustruktur der umliegenden Häuser ist um einiges stabiler, und es ist nur eine Bombe, und nicht dreißig. Ein weiterer großer Unterschied von damals und heute: heute können wir noch viel größere, bösere Bomben bauen.





Was mich aber wirklich zum Denken bringt über Krieg ist die Kombination dieser Fliegerbombe - die prekärerweise unter der Schwabinger Sieben lag, wo mein Vater schon hinging im Studium, und eine meiner Gutesten ständig war - neben dieser Bombe bringt mich auch das letzte Wochenende stark ans Denken an Krieg. Da haben wir nämlich einen Campingplatz gesehen, der sehr stark nach Feldlager im Krieg aussah. Schlammmassen wo man hinsah, übelkeiterregender Geruch nach menschlichen Exkrementen, Menschen, die völlig verschmutzt und ohne Schuhe durch wadenhohe braune Lachen Brackwasser gingen, taumelnde Menschen, wankende Menschen, Menschen die alleine nicht mehr gehen konnten, und darüber Gegröle, das leicht Schmerzensschreie hätten sein können. Es war das Chiemsee Reggae Festival, und auch wenn es gerade nicht so klingt, hat es echt Spaß gemacht, denn: wir haben ja nicht auf einem Campingplatz geschlafen.


Statt dessen haben wir bei jemandem geschlafen, der mir am nächsten Morgen erklärte, meine Kopfschmerzen stammten von Sonneneruptionen, die gerade besonders stark seien, weil die vielen Alienschiffe, die gerade um die Erde liegen, dauernd in die Sonne fliegen. Daher meine Kopfschmerzen am Folgetag eines Festivals, auf dem ich gut einen dreiviertel Liter Wodka Orangensaft getrunken habe! Als ich das dann wusste, waren meine Kopfschmerzen schlagartig weg. Danach hat er uns dann noch erzählt, dass es eine Familie gäbe, die das Geld auf der ganzen Welt druckt und beherrscht, bis auf vier Länder, die jetzt gerade angegriffen werden. Diese Länder sind natürlich überhaupt wunderbare Länder und die Machthaber foltern ihre Bürger auch garnicht (meinte dieser Mensch weiter). Die Familie, die das alles kann seit Jahrhunderten schon, das ist natürlich die Familie Rothschild. Ihr hattet es schon vorher erraten? War zu einfach, oder? Ja, wer an Sonnenerruptionen glaubt anstatt an Alkohol-Kopfschmerzen, der glaubt auch an die Rothschilds, es war tatsächlich zu einfach.

So kommt man von Krieg zu Krieg zu Krieg. Es sind kriegerische Wochen.

Dennoch will ich nicht inne halten und Frieden finden. Einerseits habe ich immer noch meinen Lauf, andererseits habe ich Angst davor, stehen zu bleiben. Etwas ist hinter mir her, etwas großes, ungeheures, und es wird mich verschlingen wie der Matsch auf dem Festival wenn ich stehen bleibe, wird mich in Fetzen reißen wie eine Fliegerbombe, und niemand wird mir helfen können, denn im Weltall bei den Aliens hört niemand dich schreien. Vielleicht ist Friede nicht automatisch Ruhe, vielleicht ist Ruhe auch manchmal der Krieg. Wie wäre es, wenn wir den Stillstand zum Krieg erklären und den Lauf zum Frieden? Lasst es uns umdrehen: Laufet hin in Frieden.

No comments: