LL Aktuell

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Geschichten und andere Geschichten

Wednesday, May 25, 2011

Ruhe ohne Sturmsicht

Wie das so ist, ruht vor der ganz großen Aufregung die Welt. Welche Macht ich über sie habe, über die Welt, und über den Wind. Renne ich meinen Aufgaben hinterher, ist sie hektisch und aufgeblasen. Sage ich: "Komm morgen wieder, lass mich in Frieden, lass mich atmen, Welt," dann steht sie vor meiner Tür und schweigt. Ich lasse sie ruhen. Mein ist die Macht.

Die Luft zu süß um sich in Arbeit zu stürzen. Ach, was will nicht alles gemacht werden. Reisegepäck will beantragt, Fahrkarten wollen gekauft, Obatzer will gemacht, Nachmieter wollen gefunden, Überweisungen getätigt werden. Ich lasse die Aufgaben und warte. Grollt mir ruhig, baut euch auf, um euch morgen mit um so mehr Gewalt auf mich zu stützen. Aber nach Abschnitten ist Pause eine gute Sache.

Seit Moria gab es nur noch kleine Umwälzungen als kurzes Intermezzo am Wochenende, das mir ins Bewußtsein brachte, dass die letzte Schlacht nicht geschlagen ist. Eine falsche Telefonnummer und Höflichkeit sorgten dafür, dass ich mir Sonntag abend dreimal anmurren ließ, warum ich nicht eher angerufen hätte, obwohl ich nicht wusste, dass die Frau, deren Nummer ich nicht hatte, am Wochenende in München sein wollte.

Es ist eine Dominokette. Die Frau, deren Nummer ich nicht hatte, sei Agathe, die befreundet ist mit jemanden hier einmal genannt Irmtrud, die befreundet ist mit zwei Menschen hier genannt Benedikt und Agnes. Benedikt gab mir Freitag Agathes Nummer, weil Agathes Sohn ein Zimmer zur Zwischenmiete für mich haben könnte. Ich rief an bei einem Anrufbeantworter.
Er sagte: "Frohe Ostern und Alles Gute".

Mehr nicht.

Das ist nun grundsätzlich eine gute, aber wenig produktive Nachricht. Ähnlich beruhigend wie ein BlueScreen - beruhigend, obwohl er das Gegenteil bedeuted.

Ich wiederholte die Nummer übers Wochenende einige Male ohne weiteren Erfolg. Gewiss hatte ich hierbei auch wenig Nachdruck. Zimmer vermitteln ist Arbeit, wie ich fünf Jahren WG-Erfahrung weiß. Wochenende ist Freizeit, und Freizeit ist heilig, wie ich aus meiner deutlich kürzeren Erfahrung als Teil der arbeitenden Bevölkerung weiß. Daher eben etwas weniger Nachdruck beim Telefonieren am Wochenende wegen einem Zimmer. Ich wollte Agathe nun ja nicht vergraulen. Weh mir, im Gegenteil, ich wollte in diesem Zimmer wohnen. Erst Sonntag  meldete ich Benedikt und Agnes den aktuellen Status wiederum per Telefon.
Der Status hieß: nichts erreicht. Das war schlecht. Mir wurde mitgeteilt, dass es nun wohl zu spät sei, weil Agathe am Wochenende Zeit gehabt hätte und danach nicht mehr, weil Benedikt und Agnes dann nicht mehr da seien.

Dies war grandios. Erstens ging mir nach dieser Nachricht die Muffe, weil eine verlockende Wohnung damit gestorben schien, zweitens waren alle sauer auf mich.

Beileibe, das verstand ich nicht. Tatsächlich war mir das der ungerechtfertigten Anschuldigung auch entschieden zuviel. Ich schaltete auf Widerstand und schubste mal zurück. Ich erklärte: Nein, ich wusste nichts von dem Zeitrahmen Wochenende. Und nein, ich rufe am Wochenende nicht mehr als zweimal täglich bei jemandem an, der mir positiv gestimmt sein soll. Und nochmal nein, ich gerate auch nicht in Panik wenn ich nach vier (oder waren es fünf?) Anrufen in zwei Tagen niemand erreiche an einem Wochenende. Ich hatte die Nummer zweimal überprüft und mir von Benedikt bestätigen lassen.
Nein, unter den gegebenen Umständen wartete ich. Und ich würde wieder warten.

Schönerweise glättete mein Gegenwind die Wogen! Ich bekam die Nummer von Irmtrud. Mit Vorbereitung ging ich in dieses Gespräch. Der Inhalt dieser Schelte war derselbe, nur war der Gegenwind sanfter. Ich wehte entsprechend zurück. Siehe da, schon erhielt ich - schließlich, endlich und richtig - die Nummer vom Agathe. Aber siehe, andere Nummer gleiches Spiel: Anrufbeantworter. Diesmal ohne Ostergrüße. Immerhin. Das war irgendwie besser.

Was soll ich sagen, eine Stunde später kam der Rückruf. Diesmal kein Gegenwind, sondern Friede, Freude Eierkuchen.
Wir verwickelten uns schnell in eine nette Unterhaltung und fanden eine Lösung. Sie gibt den Schlüssel bei noch zwei anderen Personen ab, ich gehe dahin und sehe mir das Zimmer an. Völlig unabhängig, zeit- und stresslos. Tada! Und alles ist gut.

So ist das mit dem Wind. Wer ihn säht, kriegt ihn auch. Bei mir ist aber Windstille. Nicht mal Pusteblumen zersteuben sich. Nein, ich wehe erst wieder in München. Hier ist die Luft zu süß. 

Dazwischen ziehe ich um und verabschiede mich von Bonn, das sich von der allerbesten Seite zeigt. Warm und schön und blühend. Vögel zwitschern, während vor Mirls Fenster Konstantin Wecker pfeife, bis sie rausschaut. Manchmal die bessere Art der Kommunikation als Telefon.
Morgen ist Weinkeller-Abschied, Montag ist Arbeitsabschied. Ich gehe gewiss mit einer Träne im Auge. Mindestens einer.

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