LL Aktuell

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Geschichten und andere Geschichten

Friday, May 20, 2011

Mein persönliches Moria

Gestern Abend begegnete mir mein persönliches Moria. Aus reiner Dummheit stocherte ich Pippin-gleich in unbekannten Tiefen und weckte ein allesverschlingendes Monster, dem schließlich meine größte Stütze zum Opfer fiel.

Je nun, wollte ich gestern abend das Video machen und davor endlich, endlich ein Backup, weil ich von diesem meinem Computer noch nie ein Backup machen konnte, weil die Sicherungsfunktion von Windows einfach nicht funktionieren wollte. "Diesmal aber", dachte ich mir, "diesmal suche ich mir ein gutes Programm und dann geht das."
Mehr wollte ich an diesem Abend auch garnicht mehr machen, dafür früh schlafen, weil ich schon eine Irrfahrt hinter mir hatte. Als ich nämlich zwei Stunden vorher die Arbeit verlassen hatte, lag mein Schlüssel friedlich unbemerkt auf meinem Schreibtisch. Nun konnte ich weder Fahrrad fahren noch in mein Zimmer. Also musste ich wohl oder übel (eindeutig übel übrigens) wieder zurück. Leider ist ab achtzehn Uhr ist das DAAD - Gebäude verschlossen, und meine antizipierte Ankunftszeit lag bei 18 Uhr 10. Nun brauchte ich für meine Irrfahrt so oder so noch Gefährten brauchte, holte ich meine liebe Kollegin Corina mit ins Boot, die noch im Gebäude arbeitete. Treu erklärte sie sich sofort bereit, mir aufzumachen, und als ich dann angelangte, hielt sie mir mit einem Lächeln den Schlüssel entgegen.

Natürlich hätte ich es wissen müssen, dass dies nur die Einleitung war. Durfte Odysseus nach den Zyklopen wieder nach Hause? Oder Han Solo nach der Zerstörung des Todessterns (Nummer eins) friedlich weiter schmuggeln? Und Frodo? Durfte der wieder heim, nachdem er den Ring nach Bruchtal gebracht hatte?

Nun ich langte wieder im Goebenstift an und wusste, an diesem Tag würde ich nicht mehr nach Wohnungen in meiner Heimatstadt München suchen, denn genug war genug. Statt dessen wollte ich für einen reibungslosen Computer sorgen, der schnell und sauber arbeiten würde. Dazu hatte ich vorher schon die Registry gereinigt, die Platte partizioniert und wollte nun ein Backup machen, um danach auf Dublettenjagd zu gehen. (Dublettenjagd = Doppelte Dateien suchen lassen und löschen zum Platzsparen).

Ich startete den Backup-Vorgang, hatte eine Fehlermeldung, einen Bluescreen und garnichts mehr.
Beim Starten kam der Vaio-Bildschirm und danach sofort der Satz:

Operating System not found. 

Da war er, mein Balrog. Mit all den üblen Anzeichen, die so ein Balrog mit sich bringt: vor dem Absturz die Fehlermeldung: "Back-up fehlgeschlagen", danach der eingefrorene Bildschirm, gefolgt von dem BlueScreen. Der Bluescreen, der böse, der nur auftaucht, wenn es ernst wird, wenn es sehr, sehr ernst wird. In weißer Schrift konnte ich gerade die Hälfte noch lesen und war unglaublich beruhigt als ich las, wie ich bei diesem schweren Ausnahmefehler agieren solle. "Flieh, du Närrin" stand da in diesen hellen, weißen Buchstaben auf dem schönen Blau. BlueScreen-Blau ist ein schönes Blau. Und dann stüzte er ab.

Wie die Gefährten trauerten, so trauerte ich und lief kopflos durchs Haus. Trank Tee, sprach mit Conrad. Conrad konnte auch nichts machen. Trank noch mehr Tee und telefonierte mit Schwager Peter. Peter sagte: "Klingt nach toter Festplatte" und erklärte sich bereit, am nächsten Tag die Hotline anzurufen. Dann sagte er noch: "Geh mal Bier trinken." Was sollte ich denn auch anderes machen - konnte ich nicht fernsehen, Musik hören, Emails schreiben, Blog schreiben, Geschichte schreiben, konnte ich doch sonst garnichts machen! Und immer wieder sagte der Laptop nur: "Operating system not found."

Ich, völlig ohne Sicherungen in Bonn! Keine Garantieunterlagen, keine Boot-CD, kein Ersatzcomputer. Garnichts. Oh weh mir, was sollte ich nur tun? Zwei Wochen bevor ich in Regensburg wieder wäre, und keine Ahnung ob meine CD-Roms mit Betriebssystem überhaupt etwas bringen würden! Hätte ich den Computer in einen Laden gegeben, wäre die Garantie flöten gegangen, hätte ich ihn eingeschickt, hätte ich Monate auf ihn verzichten müssen! Oh Tragik!
Ich ging und klagte David mein Leid. Fragte ihn nach einer bootfähigen CD. Nach der Predigt gab er mir eine. Und der Laptop laß sie. Er stand wieder auf aus dem Schatten.

Es war eine Vista-CD, für ein Laptop mit Windows 7. Egal! Soll die CD mal versuchen, zu reparieren! Mit dem Telefon in der Hand stand ich vor dem Bildschirm in meinem Kellerzimmer. Peter an der anderen Leitung  begleitete jeden Klick.  Immer schon bieten diese System-CD's die Möglichkeit zu sagen: Repariere statt installiere. Klick!
Und siehe, dieses kleine Signal, ausgelöst von einer CD für ein anderes Betriebssystem, nur dieser eine Klick weckte in den tiefsten Untiefen etwas, was da schlafend lag, ohne dass ich wusste, dass es da war, ohne dass ich es je gesehen hatte. Bei all meinen Durchforstungen der Festplatte auf Sinnvolles und Sinnloses bin ich nie darüber gestolpert. Wohl hatte ich davon gehört, aber das war schon lange, lange her. Es nannte sich Vaio-Wiederherstellungscenter und übernahm die Führung Momente nachdem die CD-Rom sich zur Reparatur begeben hatte. Ein Bildschirm kam und fragte mich höflich, was ich denn machen wollte. Dann überprüfte es für mich sechs Stunden lang die Hardware, fand keine Fehler, und installierte danach die Windows-Version frisch vom Werk. Seither ist der Laptop schneller als vorher. Fenster hängen nicht beim Öffnen. Sogar der Akku hält länger. Gereinigt aus der Tiefe wieder auferstanden. Weiß wo grau war. Zumindest scheint es so.

Nur die Daten sind weg. Aber warum nicht, Gandalf hat seine Gefährten anfangs auch nicht erkannt, und ich kann ihm sein Gedächntis ja wieder aufspielen (dem Computer, nciht dem Gandalf). Das habe ich nämlich doch gesichert, letzte Woche erst.

War ja klar, dass mein Heimweg nach München noch mit Opfern und Aufgaben gepflastert sein würde. Nun fürchte ich, dass es noch weiter gehen wird. Wer kennt schon Zweiteiler? Wo alle Geschichten zur Zeit mindestens zur Trilogie werden. Wie wird es weitergehen? Wird der Laptop weiter strahlen und mir beim Sieg kommender Schlachten helfen? Oder wird er sterben, unweigerlich, unwiederbringlich, nach einer letzten kurzen Zeit im Glanz. Ich weiß es nicht. Solange ich aber schreibe, besteht Hoffnung.

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