LL Aktuell

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Geschichten und andere Geschichten

Tuesday, January 28, 2014

Gefahren des Zugfahrens

Heute bin ich am Hauptbahnhof einem meiner Exe begegnet. Bin natürlich stante pede vorbeigelaufen, Blick starr geradeaus. Dass sowas immer so erschütternd ist, das trifft dich bis in's Mark. Wenn ich jetzt zum Beispiel "Markus" sage, und du hattest einen Markus zum Ex trifft dich doch sicher ein Blitz aus heiterem Himmel. Oder zumindest weißt du, was ich meine. Sicher bist du deinem Ex auch mal unverhofft begegnet, also bevor alles wieder gut war vielleicht, weil manchmal ist ja mit den Exen auch alles in Ordnung nach einer Weile und sie werden Freunde, die Ex-Freunde, na auf jeden Fall hat es dich da doch sicher auch getroffen wie der Schlag. Kein Wunder, dass die Ex heißen, wie das, was man früher im Gymnasium immer schreiben musste, die Ex, die Extemporale. Stegreifaufgabe heißt sie, und eine schöne Stegreifaufgabe ist es, wenn der Ex plötzlich da steht und auf die Anzeigetafel vor der Bahnhofsinfo schaut. "Stegreifaufgabe: Seien Sie spontan und witzig, seien Sie total über ihn hinweg, seien Sie so umwerfend, dass er es bis in's Grab bereut, Sie gehen gelassen zu haben, und bitte, seien Sie dabei bloß locker!" Schöne Stegreifaufgabe, Exen. Kein Wunder, dass die keiner mag.
Ich bin dann auch wieder zurückgegangen, also ein bißchen. Geschaut habe ich aus der Entfernung mit klopfendem Herzen, was er so macht. Bin wieder weitergegangen, weil ich da so peinlich rumstand und mich schon Leute beim Gucken anguckten. Hab mich einen Feigling gescholten und bin wieder ein bißchen zurück in seine Richtung. Leicht hat ers mir gemacht. Er ging ganz langsam um die Info herum, stellte sich mit dem Rücken zu mir und zog sein Handy raus. Natürlich war es mein Ex, ganz klar, wer ist sonst schon beinahe zwei Meter groß, schlaksig, mit diesem speziellen Haarschnitt, den er so liebte, Brille und diesem halboffenen Mund. Mein Herz pochte weiter vernehmlich. Aber ich konnte ja da nicht nur stehen und glotzen, aber hingehen konnt ich auch nicht. Also ging ich wieder. Und dann diese Stimme: "Du wirst es sicher bereuen, dass du deine Angst nicht überwunden hast." Also zwei Schritte zurück. "Wenn du aber hingehst, nur so eine Minute, fragst: "Na, was machst du denn in meiner Heimatstadt?", dann bist du sicher stolz auf dich danach." Noch ein Schritt. HOAH, er hat sich umgedreht und geht in meine Richtung! Diese blöde Stimme, beinahe hätte er mich gesehen! Schnell wieder zurück und den Stand zwischen uns gebracht; da hab ich mich dann wieder umgedreht und geguckt. "Langsam, langsam," denk ich. Also erstmal sammeln. Ok. Durchschnaufen. 
Einfach hingehen, den Namen sagen, fragen, was er denn hier macht. "Dann weißt du zumindest, ob er jetzt hier wohnt und du ihm öfter begegnest." Zwei, drei Schritte geh ich in die Richtung. Er macht es mir wieder einfach, gaanz langsam geht er von einer Fressbude zur nächsten, seine Aufmerksamkeit völlig von den Auslagen gefesselt. Weiter durchschnaufen. 
Schon bin ich in Namens-Rufweite und tu das auch grad. Er dreht den Kopf - von mir weg, hat mich nicht gehört, will zu dem anderen Futterstand. Beugt sich über die Vitrine, schaut nach links, hoch, mir in die Augen. 
Und schaut ohne Zögern wieder weg. Hat mich nicht erkannt. War es doch nicht. Ich geh schnell wieder.
Geh und geh Richtung Ubahn. Denk mir, wie man sich täuschen kann, ich hätt schwören können. Denk mir sowas aber auch, da gibts einen, der ganz genau so aussieht wie er. Denk mir: "Oder er hat mich nicht erkannt. Hab ich mich so verändert?" Ja hab ich schon. Die Haare halt. Und die Mütze, die ich aufhatte. Andere Brille hab ich ja auch. Und er dafür. Das ganze Verhalten, er hat sich auch so bewegt wie mein Ex. "Das war er doch!" denk ich mir. Geh wieder zurück, diesmal wirklich mit Mut, nur zu!
Na ich wieder zurück, jetzt ist es schon vollends peinlich, die Leute an dem Stand, an dem ich zum siebten Mal vorbei geh denken sicher: "die spinnt." Also auch schon egal. "Ist der Ruf erst ruiniert" und so weiter. Oder doch wieder umdrehen und heim? Nein, das verfolgt mich sonst. Auf, du Feigling!
Ich also hin, immer noch Abstand, und er, was macht er, dreht mir den Rücken zu! Zefix! Also wieder warten? "Ach, lass sein, geh heim, is doch wurscht," denk ich mir. Und ich geh wieder. Aber nein, auch diesmal schaff ich es nicht, denn da ist die Stimme wieder: "Jetzt, finds raus, ist doch blöd so". Also geh ich kleiner Kreisel doch wieder zurück und schleiche um ihn, immer außerhalb Blickwinkel, nur sein Gesicht nochmal sehen. Der hat sich immer noch nicht entscheiden können derweil, war er wieder beim ersten Stand und hat immer noch nix gekauft. Jetzt erlöst er mich. Schaut nach links zum Döner. Und ist es nicht. 
Eventuell, eventuell, falls er im Gesicht zugenommen hat, er hatte immer ein spitzes, hageres Gesicht, und der Mann hat ein volles, eher rundlich. Und die Haare. Da ist ein Rotstich dabei. Könnt natürlich das Licht sein, auch des Exfreundes Haar hatte eine ganz leichten Rotstich, aber doch eher leichter als der Herr da beim Rischart. Und den Mund hat er auch nimmer so offen stehen. Ist er es nicht. Ist die Ex-Zeit vorbei, setzen, sechs. Naja, zumindest hat sich meine Angst, dass ich ihn jetzt öfter seh, weil er auch nach München pendelt oder so, naja, diese Angst hat sich jetzt verflüchtigt. 
Damit ist Zugfahren wieder sicherer geworden.

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