LL Aktuell

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Geschichten und andere Geschichten

Saturday, February 22, 2014

Meine (!) U-Bahn

Seit diesem Jahr habe ich mir eine U-Bahn zugelegt. Das ist eine feine Sache. Diese U-Bahn ist der erste Dominostein, der früh morgens umfällt und eine Kette von Steinen umwirft, die einen fantastischen Tag bilden. Das Geheimnis liegt in der Betonung. Es reicht nicht, einfach zu sagen: Ich muss um fünf aufstehen, sonst schaff' ich meine U-Bahn nicht. Es muss schon heißen: Meine U-Bahn! 
Yeah, das ist Meine U-Bahn. Sie fährt jeden Arbeitstag um fünf Uhr fünfundvierzig ab und ist um fünf Uhr fünfundfünfzig am Hauptbahnhof. 
In der U-Bahn ist Ingrid, und Ingrid ist mein U-Bahn-Buddy. Ingrid erzählt mir sechs Stationen lang von ihrem Leben, ohne Luft zu holen. Ich weiß immer, wie ihr Kollege die Arbeitsmittel für den Tag verteilt hat, und ich hoffe der Umzug ist gut gelaufen, weil der Vormieter schon dreimal versprochen hat, auszuziehen und nie auszog. Ingrid ist mir auch nicht sauer, dass ich am Hauptbahnhof verschwinde wie der Wind, weil ich die Rolltreppe hochrenne um den Zug um sechs Uhr eins zu erwischen. Naja, ich müsste nicht wirklich rennen, aber ich bilde mir ein, dass es meine Oberschenkelmuskel stählt. Das ist 'ne lange Rolltreppe! 
Im Zug kann ich dann ja auch entspannen, dank meiner Prinzessinnen-Schlafbrille. In den fünfundvierzig Minuten schlafe ich zwar nur oberflächlich, aber es reicht. Wie viel Entspannung diese absolute Dunkelheit einer Schlafbrille bringt hätte ich nie gedacht. Sobald sie auf meinem Gesicht sitzt, entspannen sich meine Schulternmuskeln, die Atmung ist ruhiger und siehe da, die Stressgedanken verziehen sich in eine Ecke und sagen: "Ok, ich wart ein bißchen." Tolle Sache, so eine Schlafbrille.
In Augsburg selber muss ich mich dann auch nicht stressen, weil die U-Bahn mich zum richtigen Zug und somit zur richtigen Trambahn bringt. Es ist als würde Meine U-Bahn sagen: "Einmal in die Trambahn hüpfen, bitte." Drum antworte ich: "OK, dann mach ich das halt. Dafür kommt dann an der nächsten Haltestelle mein Bus vier Minuten später?" "Ja, das kriegen wir hin," sagt die U-Bahn. "Wunderbar, dann kann ich während der zehn Minuten Busfahrt meinen Kalender aktualisieren. Das ist ein Deal." "Gutes Mädchen" sagt die U-Bahn. U-Bahn, Zug, Trambahn, Bus. Klick-Klick-Klick fallen die Dominosteine.
Mein Kalender sagt mir dann, was ich den Tag über tun muss, das ist auch ziemlich nett von ihm, weil er mich nicht nur an das Kampagnentreffen um acht erinnert, sondern auch an die Mahnung, und an eine Kaffeepause. Das läuft also alles entspannt. 
In der Arbeit brauch ich die U-Bahn nicht, da sind Kollegen und Outlook, und eine Sache gibt sich die nächste in die Hand. Ganz entspannt. Ich jongliere ein bißchen zwischen neuen Kollegen einarbeiten und eigene Aufgaben erledigen, mal ein Telefonat mit schwierigen Lieferanten, mal eine Anleitung wie man Dokumente cancelt. Beim Kaffee holen nicht vergessen drei Worte mit dem Kollegen auf Italienisch zu wechseln und dann lachen, weil ihr beide nicht wisst, was Husten auf Italienisch heißt. 


Ich kann echt jedem nur empfehlen, sich eine U-Bahn anzuschaffen.

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