LL Aktuell

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Geschichten und andere Geschichten

Friday, July 6, 2012

Nicht Bonn

Kannst du schnell zuhören? Ich bin schon fast weg.

In einer halben Stunde geht Alice's Geburtstagsfeier los, da muss ich hin, also schnell ein Kaffee im Garten. Ja, dieses Haus hat einen Garten, mit zwei Apfelbäumen, Beeten mit Zucchini, Salat und Kräutern. Kein Waschsaloncafe mit dem Duft von frisch gewaschener Wäsche, aber dafür singende Vögel. Auch kein Goebenstift mit 40 kunterbunten Leuten, dafür fünf richtig feine Leute, die naturverbunden sind, fleißig, sich gesund ernähren, alle arbeiten und lustig sind. Es sind auch ständig Gäste da, jetzt zum Beispiel Jens, mit dem Mischa mir gerade gegenüber sitzt und Bier trinkt.
So kann man solche Telefonate führen:
"Du willst in den Biergarten? Ich weiß nicht, ich trink grad Bier und sitz im Garten."

Nicht Bonn, eindeutig nicht Bonn. Keine Gründerzeit-Häuser, dafür Wald um die Ecke. Kein Fitnessstudio um die Ecke, dafür in neun Minuten beim Tanzkurs. Tanzen ist wichtig zur Zeit.
Seit einem halben Jahr tanze ich freitags in der TWS: Grundkurs, Fortgeschritten und Bronzekurs. Derweil hat sich eine freiwillige Tänzergruppe gebildet, die donnerstags noch tanzt, selbstorganisiert in der Studentenstadt. Und weil mir das nicht reicht, geh ich jetzt auch noch dienstags tanzen, als Gastdame in einem Anfägerkurs. Da lerne ich die Details nochmal ganz genau ohne zahhlen zu müssen. Das macht sich bezahlt, wie ich an den Tanzparties am Samstag oder Sonntag sehr merke. Inzwischen will ich mit Leuten von meinem Level kaum mehr tanzen, sondern suche mir Leute aus den Gold-Kursen. Oder aus dem Tanzkreis, noch eine Stufe höher, wie der Andi, der mit mir als Gastherr die Medaille am Sonntag tanzen wird. Morgen wird er auch nochmal den ganzen Abend mit mir üben, und er meint: "Da mach ich mir garkeine Sorgen bei dir, dass du das hinkriegst, die Bronzemedaille."

Der Bronzekurs ist seit einer Woche vorbei, und den Silberkurs mache ich erst nach den Sommerferien im September. Dazwischen gibt es ein, zwei andere Pläne, die ich gerne verfolgen möchte. Bevor ich die aber veröffentliche, möge ein wenig Zeit vergehen und die Pläne konkreter werden. Oder auch nicht. Denn auch, wenn es nicht Bonn ist, bietet München doch einige Möglichkeiten, seine Zeit angenehm zu verbringen. Der Wald, den ich eben erwähnte, bietet sich an zum Fahrrad fahren. Die Isar ist auch nicht weit weg, nur zehn Minuten, und in ihr kann man schwimmen.

Außerdem ist da ja auch noch der Freundeskreis, den ich durch die derzeitige Tanzeritis schwer vernachlässigte. Und die Familie mit Nichte und Schwester und Schwager und bald: Neffen. Und Vater und Bine natürlich, ja ja.

Zeitfresser, elendige. Selbst in meinem Plan steht kein Blog mehr.

Fairerweise muss man sagen, dass der Blog überhaupt gerade durch Geschichte ersetzt wird. Sie ist noch nicht fertig, die Geschichte. Immer noch nicht. Seit beinahe einem Jahr schreibe ich daran. Immerhin ist die Schlüsselszene vorbei. Danach sollte es leichter gehen, dachte ich mir. Wie eine Katarsis sollte sich danach alles entspannen und runterschreiben. Aber wie nur, wie soll es weiter gehen? So eigenartig, wenn man nach dem Höhepunkt einer Geschichte plötzlich dasteht und selbst dafür verantwortlich ist, sie weiter zu führen. Der arme Charakter ist mir auf Gedeih und Verderb ausgeliefert! Da darf ich kein Schindluder treiben, nein nein.

Gott sei dank habe ich aber Zeit hier. Der Job ist unbefristet, das Haus läuft auf vier Jahre, die Freunde bleiben hier, die Familie auch, die Tanzschule auch. Zeit genug, den Charakter sanft in ein Happy End zu führen. Eines Tages wird er mit seiner Holden in einem sonnigen Raum erwachen und sich freuen, wie schön alles aussieht.

Nicht in Bonn, aber vielleicht in München.

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