Mach mal mit: setze dich an ein Fenster, am besten auf einem Polstermöbel, und tue nichts. Vielleicht magst du es, dabei eine Tasse Tee (oder Kaffee) zu halten.
Aber nicht trinken!
Auch nicht wild in der Gegend herum gucken oder reden. Einfach mal nur sitzen.
Merkst du es? Es stellt sich nach einiger Zeit eine Leichtigkeit im Kopf ein. Der Brocken, der einem von der Seele fällt, ist eine abgegriffene Metapher, daher werde ich sie nun nicht benutzen. Vielmehr möchte ich sagen: es ist ein Klotz, der dir von den Rücken plumpst. Es führt quasi zum Gegenteil vom Denker.
Bei mir fängt die Entspannung immer an der Stirn an, über den Augenbrauen. Das Gesicht braucht weniger Muskeln zum Lächeln als zum grimmig Schauen. 17 Muskeln braucht man zum Lächeln, zum Grummeln etwa 57 mehr. Oder so - je nachdem, wen man fragt, variiert die Anzahl beim Lächeln zwischen 5 und 53, wobei die Proportion zum Grimmig gucken immer gewahrt bleibt - etwa vier mal so viel wie bei Lächeln. Die Uneinheitlichkeit in den Zahlen entspringt übrigens Variationen bei der Zählung der Gesichtsmuskeln, aber da will ich jetzt nicht in's Detail gehen. Das wäre Arbeit, und wir wollen ja nichts tun, gell?
Aussage des oberen Absatzes ist zumindest ganz sicher: Lächeln ist weniger anstrengend als grimmig Gucken. Also los, lächle.
Sind lächelnde Menschen Gesichtsschwächlinge?
Bestimmt.
Nach einer Weile Nichtstun wirst du feststellen: Alles verändert sich, wenn man nichts tut.
Heut morgen habe ich zum Beispiel Sorgen abgeschafft, als ich am Esstisch saß und nichts tat. Sophia und Matthias saßen auch am Esstisch und taten nichts. Es war sehr schön. Mein Hinterkopf wollte die Stille stören, aber ich ließ ihn nicht. Wie ich das genau erreichte, möchte ich jetzt hier gern darstellen.
Es fing damit an, dass mir mein Hinterkopf verschiedene Sachen reichte:
- Du musst noch die Türschwelle gießen
- Du musst noch die Wäsche bügeln
- Du musst noch Sachen aus dem Keller räumen
Wie ein Spüljunge in einem Großrestaurant kam ich mir vor, der ständig neue, schmutzige Teller aus dem Lokal gereicht bekommt, aber in der Küche keinerlei Platz hat zum Abstellen. Genau genommen ist es aber so, dass Leere im Kopf herrscht, die durch Post-its mit Aufgaben gefüllt werden, wie in einer Dia-Show, nichts, nichts, nichts, Aufgabe. Wer sie schreibt und abschickt, ist schleierhaft. Falls ich ihn mal treffe, werde ich einen ausgeklügelten Terminplan mit ihm ausarbeiten und ein Verhalten im Notfall.
Bestimmte Aufgaben, die der Hinterkopf da serviert, sind ja auch völlig in Ordnung und berechtigt. Wenn ich zum Beispiel in einer brennenden Küche stehe und mir erscheint ein Post-it auf dem steht: Feuerlöscher holen! würde ich zum Beispiel nie ablehnen.
Gott sei dank war das bisher noch nicht nötig bei uns, obwohl unser Kellerkind Till durchaus schon eine Flamme mit Öl so lange auf dem Herd hatte, dass es eine Stichflamme gab.
Sonntag morgen am Esstisch sind die Aufgaben-Post-its mir aber sehr, sehr unwillkommen. Genauer gesagt lehne ich sie aus dem tiefsten Grunde meines Herzens ab.
Sie kommen aber trotzdem, wie eben bei dieser Diashow, wenn jemand weiterklickt.
Der Schlüssel zum Erfolg beim Nichtstun liegt nun in einer ganz bestimmten Handlung:
Man nimmt diese Sachen einfach nicht an.
Is ganz einfach. Ja, wirklich, es ist so einfach wie es klingt!
Bist du zum Beispiel der Küchenjunge, der mit Tellern eingedeckt wird, gibst du die Teller einfach zurück an den Kellner und sagst: Nee, mach du mal.
Ein guter Satz!
Siehst du eine arbeitsauffordernde Diashow, sagst du einfach Nee, bleibst sitzen und wartest auf das nächste Dia.
Probier es einfach jetzt aus: Irgendwas fällt dir sicher ein, was du machen musst. Hast was?
Dann los: Nee sagen.
Jetzt gemeinsam zum Üben:
Der Besteckkorb muss geflickt werden.
Nee.
Der Boden muss gewischt werden.
Nee.
Der Zaun muss mit Draht umwickelt werden.
Nee.
Schön, gell?
Nee.
Damit kann man garnicht mehr aufhören.
Ich sitze ja immer noch vor dem Fenster unseres wunderbaren neuen Wohnzimmers und schaue raus. Vor zehn Minuten erschien da dieser Mensch, der Draht um den Zaun wickelt. Jetzt, zehn Minuten später, steht er immer noch hier und wickelt weiter.
Jetzt sind es zwei! Gerade kam noch ein anderer hinzu, der wickelt jetzt auch. Im Nachbars Garten stehen zwei fremde Männer und wickeln Draht um den Zaun. Keiner von beiden ist unser Nachbar. Beide sollten dringend Nichts tun.
Später stellte sich übrigens heraus, dass sie ein Loch im Zaun flicken wollten, zumindest nehme ich das an. Die Ursache dieser Annahme ist, dass etwa eine Stunde später aus eben jenem Nachbars Garten in unserem Garten ein Hund kam. Es ist ein großer Hund, etwa so einer, der mir locker bis zur Hüfte geht, und sehr freundlich und verspielt ist.
Leider gehen die Besitzer aber nie mit ihm raus, bzw. nur etwa zehn Minuten spazieren zwei- bis dreimal täglich. Ansonsten ist er eingesperrt in einen kleinen Garten von etwa 30 Quadratmeter. Das ist zu wenig, daher ist er wohl auch ausgebrochen und hat damit das Werk der beiden fremden Männer in Nachbars Garten zur Sinnlosigkeit degradiert.
Hätten sie mal lieber Nichts gemacht.
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