LL Aktuell

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Geschichten und andere Geschichten

Sunday, November 27, 2011

Die Spaltung der Persönlichkeit

Es ist soviel passiert, das reicht für zwei Personen. Aber wir lösen das jetzt ganz pragmatisch.

Hallo?

Hallo, grüß dich, ich bins.

Du, endlich, bist du wieder von den Toten auferstanden, ich glaub ich häng!

Ja, war so viel, und ich hatte keine Lust und kein Internet, und und und! Ich zieh doch grad um!

Ach ja, krass, stimmt ja. Ja aber frag mal, bei mir - weißt ja, meine Kollegin geht, und die Chefin meint grad, uns testen zu müssen, ob wir alles können. Druck, Belastung, und Druck.

Wie, euch testen? Was is denn da los?

Sie will halt wissen, ob wir das hinkriegen. Eigentlich sind wir fünf, aber nach Weggang von D und V bleiben nur A, V und ich. V ist zwar seit acht Monaten dabei, hat aber bis vor drei Monaten nur Postfach und Ablage gemacht. A ist seit sechs Monaten dabei, und ich seit vier. Das Projekt läuft aber schon drei Jahre. Kannst dir vorstellen, was wir A, V und ich alles nicht wissen.



Und wie testet sie euch?

Neulich hat sie uns nen Vortrag halten lassen vor lauter SIs darüber, wie unsere Datenbank funktioniert. Da standen wir dann zu dritt für zwei Stunden vor 40 Leuten. Es war hartes Publikum. Aber seither ist die Chefin glücklich. Der Vortrag selber war aber dann ein voller Erfolg und hat auch Spaß gemacht, aber er nahm halt Zeit in Anspruch, die wir kompensiert haben. Die Arbeit ist schon anstrengend zur Zeit.

Mhh, und dann fährst ja auch noch jeden Tag ne halbe Stunde einfach.

Halbe Stunde, schön wärs! Es ist Dauer-Nebel und es meistens dunkel, wenn wir fahren. Da bist locker bei 45 Minuten. Das heißt, nochmal in nem kalten Auto in dieser verklemmten, gebeugten Haltung sitzen, nachdem man acht Stunden in dieser verklemmten, gebeugten Haltung am PC saß. Die rechte Hand am Steuerknüppel oder an der Maus, das is eh schon egal. Die linke hat kaum was zu tun, ist aber immer angespannt, weil sie entweder tippt oder lenkt. Da biste insgesamt bei neun Stunden in der gleichen, verklemmten gebeugten Haltung, und dann musst daheim noch Essen kaufen, kochen, putzen, telefonieren. Wie soll man denn da noch bloggen? Das ist doch wieder die gleiche gebeugte Haltung! 

Pffff, kannst ja statt dessen abends nach der Arbeit noch Möbel kaufen, oder Zierleisten anschrauben, oder WG-Neu-Besprechungen machen! Die Arbeit und die ganze Fahrerrei sind sicher echt schlauchend, aber dieser Umzug ...

Umzüge sind total stressig, ich bin ja selber schon so häufig umgezogen, und irgendwas geht immer schief, und irgendwas verschwindet immer, etwas was dir total am Herzen liegt und einfach fehlt, wie das hellblaue Oberteil von Benetton, das das erste schöne Stück Wäsche war, das ich mir je gekauft habe. Was fehlt denn diesmal bei dir?

Keine Ahnung, ich hab noch keinen Schrank, so dass ich noch keine Sachen einräumen kann und schauen, was fehlt. Morgen hol ich noch ein paar Sachen aus Regensburg, die mir echt am Herzen liegen. Die Starbucks-Tassen aus aller Welt, die Teekanne aus Tschechien, die Flamingopflanze, die ich habe seit ich 12 bin. Mal sehen, wenn es einen idealen Moment gibt zu verschwinden für etwas, das ich echt liebe, dann ist das wohl morgen.

Was hast du denn bisher?

Vor allem ein Bett. Das ist dafür grandios. Es ist 70 Zentimeter hoch mit Matraze, die schon allein 30 Zentimeter hat. Schau dir mal an, wie hoch das ist, das ist echt hoch! Da fällst du morgens aus dem Bett direkt auf die Füße! Ich hab gestern das erste Mal drauf geschlafen, und ich kam mir vor wie die Prinzessin auf der Erbse ohne Erbse.

Ach geil. Mann, so ein Bett brauch ich nach meiner Arbeit wirklich. Das Fahren und gebeugte Dasitzen ist das Eine, aber die Arbeit ist echt anstrengend. D (der Kollege, der seit Anfang des Monats weg ist) und V haben mir schon seit nem Monat gesagt, dass ich mich dran gewöhnen muss, mit der Arbeit nicht fertig zu werden, weil es einfach zu viel ist. Das ist echt hart. Ich arbeite gern viel und unter Druck, aber wenn ich am Abend heimgeh und nichts fertig ist, dann ist das frustrierend. Derzeit bearbeite ich grade Mails, die ich vor zwei Wochen bekommen habe, und die Arbeit, die ich diese Woche machen sollte, die mach ich glaub ich einfach gar nicht. Es wäre nur Standard-Arbeit, aber die ist grade total unwichtig. Nur frisst mir das die Nerven auf, wenn ich unsauber arbeiten muss. 

Mies. Vor allem, nachdem ihr doch neulich diese Ansage hattet darüber, wie schlecht das Projekt läuft.

Ja, das war krass. Es muss sehr schnell gearbeitet werden, und einige Leute sind halt in andere Unternehmen gegangen. Das ist bei einem großen Unternehmen ja auch völlig normal.

Es heißt halt trotzdem Einarbeitung für die Neuen. Das ist sicher eine Herausforderung, aber ich bin mir sicher ihr kriegt das hin. Du, ich muss langsam aufhören, ich muss morgen ja nach Regensburg, Zeug einsammeln und dann zurück fahren. Außerdem muss ich noch Arbeiten korrigieren.

Klingt ja wie ein Lehrer.

Ja schon irgendwie. Mir schicken halt immer mehr Leute ihre Texte zum Überarbeiten, und jetzt kommen sie alle gleichzeitig. Vor vier Wochen hab ich noch gesagt: Wennst was korrigiert haben willst, schick es mir jetzt, jetzt hab ich noch Zeit. Wann kommen die Sachen? Dann wenn ich umzieh! Murphy's Gesetz wieder, alles was schief gehen kann, geht auch schief.

Wie viele Korrigierjobs hast denn grad?

Derzeit sinds vier Leute, die mir immer wieder mal was schicken, und eine extra. Nee, ich finds ja auch geil und normalerweise gehts ja auch super schnell. So ein paar Sätze umschreiben ist schnell geschehen, da muss man sich ja nix selber ausdenken, sondern nur feilen. Inzwischen les ich Texte sogar schnell vom Handy und gebe dann kurze Statements per Mail ab. Da kommt man sich so bossig vor :)

Sag mal, wie kommt's dass du jetzt wieder schreibst?

Das war die Inge. Naja, hauptsächlich, aber natürlich die anderen auch. Ich wollt mich schon beinahe verabschieden, aber dann kamen so liebe Beschwerdemails, dass das einfach nicht ging.

Und was sollte diese Nyan-Cat?

Hahaha, die stammt von Ivelina! Das sollte eigentlich nur so ein Zuckerstück sein, damit alle wissen, dass der Blog noch lebt. Und er geht weiter und weiter und weiter und weiter und weiter und weiter und weiter und

 Jaja, schon verstanden, wie die Nyan-Cat und so. Aber jetzt hier, kriegen wir hier mal wieder Fotos? Hast schon lang nix mehr rüberwachsen lassen.

Klar, kommt, alles in Vorbereitung. Vielleicht mach ich ne Doku: Die Entstehung des Hauses und des neuen Zimmers.

Friday, November 4, 2011

Nachtfahrt

Thomas D hat Rückenwind und nimmt dich mit auf einen Nachtflug. Da erzählt er dir was davon, dass alle Liebenden innerlich immer noch Kind seien.

Das Streiflicht der Süddeutschen Zeitung von Mittwoch zitiert zur Liebe Hella von Sinnen: Sie sei der Meinung, dass Liebe Toleranz für die kleinen Macken des anderen verlange

Und ich bete für eine tolerante Leserschaft.

Aber wie ist das mit der Toleranz?

Ist es wirklich schon Toleranz, wenn man sich an nervige Sachen gewöhnt, nur weil sie täglich da sind?

Zum Beispiel der Weg von der U-Bahn zur Wohnung meiner Eltern. Früher war er mir zu lang und ich stieg immer eine Station später aus, um kürzer zu gehen.
Heute bin ich extra eine Station früher ausgestiegen, um exakt diesen Weg zu laufen. Oder der Anrufbeantworter meiner Freundin.
Früher nervte es mich, sie nicht persönlich zu erreichen. Heute wünsche ich mir, dass sie einen hätte, damit ich liebe Nachrichten aufsprechen könnte.

Wie es wohl in fünf Jahre mit dem Autofahren sein wird? Jetzt nervt es mich kolossal.

Eigentlich seltsam, dass ich bisher noch nichts davon schrieb, obwohl ich seit drei Monaten täglich zwei Stunden fahre. Insgesamt. Eine Stunde hin, eine zurück. Meist eher weniger, aber dennoch genug.
Jetzt haben wir ja inzwischen Winterzeit. Prompt mit der Umstellung letzten Sonntag ist es gleich ein ganzes Stückchen dunkler geworden. Wo ich früher in Dämmerung heimfuhr, ist es jetzt Nacht. Und nicht nur Nacht, sondern stockdunkel.
Ich fahre also von der Schnellstraße in Augsburg auf die A8 Richtung München, und plötzlich frage ich mich: Wo ist denn die Welt hin?
Vor mir nur rote Rücklichter. Die Fahrer hinter mir sind durch das Umklappen des kleinen Hebels am Rückspiegel beinahe ausgeblendet. Eine wunderbare Erfindung, dieser Spiegeldimmer.  Mir fehlt der Mond und die Sterne fehlen mir auch. Sie haben sich in eine Nebeldecke eingehüllt und kommen heute nicht mehr zum Spielen raus. So bleiben nur ich und die Rücklichter. Wie eine Horde roter Glühwürmchen schlängeln sie sich durch kurvige Berge und Täler, So individuell und einzigartig ich auch war, als ich an meinem Bürotisch saß eine gute halbe Stunde zuvor, so verkehrt hat sich das Bild innerhalb einiger weniger Minute. Ich bin auch nur zwei rote Glühwürmchen für all die anderen, die hinter mir sind. Kann ch das tolerieren? Ist ein bißchen Bequemlichkeit, wie sie ein Auto und der Job, zu dem es einen fährt, wirklich wert, zum austauschbaren Teil einer Horde zu werden?
Die Antwort liegt wohl in der Liebe, in diesem Fall zu meinem Job. Das Team ist wunderbar. Ohne sie müsste ich lange nach Menschen suchen, mit denen ich so viel lachen kann. Zum Beispiel darüber, dass unsere Datenbank immer um kurz vor Feierabend sagt, man müsste eine Nachricht in das Feld für Nachricht eintragen, wenn es doch gar kein Feld für Nachricht gibt. Oder darüber, dass unsere Super-Kollegin die Abteilung verlässt und ihr ganzes, gut sortiertes und amüsant präsentiertes Fachwissen einfach mitnimmt. Schließlich ist es nur in ihrem Kopf.
Damit wären wir wieder bei den Fantastischen Vier angelangt. Wie beim Eingangszitat eines Fantastischen ist auch dies eine doppeldeutige Metapher, weil unser Team derzeit noch aus vier (fantastischen) Mädels besteht.
es sei genug durch die Nacht geflogen. Hella von Sinnen wird von der SZ für von Sinnen erklärt, weil die Toleranz in der Liebe nichts zu suchen habe. Darauf werfen wir aber lieber nur ein Streiflicht, während wir uns zum schlafen gehen ein bißchen ruhige Musik anhören.